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Flüchtlinge : »Schärfung des Asylrechts«

Wie der Gesetzgeber mit immer neuen Regelungen auf den massenhaften Zuzug reagierte

24.07.2017
2023-08-30T12:32:24.7200Z
4 Min

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) war es der "Schlusspunkt in dieser Legislaturperiode bei der Schärfung des Asylrechts". Gemeint war das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (18/11546, 18/12415), das der Bundestag Mitte Mai dieses Jahres verabschiedete. "Abschiebehaft, Fußfessel und Handy-Durchsuchung bei Flüchtlingen", fasste die Deutsche Presseagentur damals den Inhalt zusammen und konstatierte: "Die Regeln für Abschiebungen und den Umgang mit Asylbewerbern werden erneut verschärft."

Tatsächlich reiht sich das Gesetz ein in ein ganzes Bündel von Neuregelungen im Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht, die der Bundestag in der ablaufenden Legislaturperiode beschloss. Keine Frage, der Flüchtlingszustrom war eines der Megathemen dieser vier Jahre. Seinen Höhepunkt hatte er mit 890.000 Asylsuchenden erreicht, die 2015 nach Deutschland gekommen waren. Im September hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) damals die Grenze für in Ungarn festsitzende Flüchtlinge öffnen lassen, doch schon zuvor, im August, hatte de Maizière die Zahl der 2015 erwarteten Flüchtlinge von 450.000 auf 800.000 nach oben korrigiert. Seit 2008, als gut 28.000 Asylanträge gezählt worden waren, hatte sich ihre Zahl Jahr für Jahr erhöht: 2013, zu Beginn der Wahlperiode, lag sie bei knapp 130.000 und kletterte im Folgejahr auf gut 200.000. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres wurden noch mehr als 90.000 Asylsuchende registriert. Die Politik reagierte darauf mit immer neuen Maßnahmepaketen.

Im November 2014 kam das "Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer" (18/1528, 18/1954). Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina wurden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, womit Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern schneller abgelehnt werden können. Auf drei Monate verkürzt wurde die Frist, nach der Asylbewerbern und Geduldeten eine Beschäftigung grundsätzlich erlaubt werden kann.

Im Dezember 2014 wurde das Freizügigkeitsrecht für EU-Bürger verschärft, vor allem mit Blick auf Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien (18/2581, 18/3004); mit dem "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern" (18/3144, 18/3160) wurde für sie Anfang 2015 die Residenzpflicht grundsätzlich auf drei Monate nach der Einreise befristet. Für die Zeit nach der Erstaufnahme wurde der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bis dahin allgemein geltende Vorrang des Sachleistungsprinzips zum 1. März 2015 zugunsten von Geldleistungen abgeschafft.

Asylpakete und mehr Im August 2015 folgte das "Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung" (18/4097, 18/5420), mit dem eine alters- und stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung geschaffen wurde, um durch die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus "nachhaltige Integrationsleistungen" zu honorieren. Zugleich zielte das Gesetz darauf, die Ausreisepflicht wirkungsvoller durchzusetzen. In dem Gesetz enthalten waren auch verschärfte Regeln zur Ausweisung krimineller Ausländer, die Anfang 2016 in Kraft traten.

Für die wesentlichen Teile des "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes" (18/6185, 18/6386) galt dies bereits ab Oktober 2015. Damit sollten die Asylverfahren beschleunigt, die Rückführungen vollziehbar Ausreisepflichtiger vereinfacht und "Fehlanreize, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen können, beseitigt" werden. Nunmehr wurden auch Albanien, Kosovo und Montenegro als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft. Die Begrenzung der Aufenthaltspflicht in der Aufnahmeeinrichtung wurde mit dem "Asylpaket I" von drei auf bis zu sechs Monate ausgedehnt, bei Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss ihres Verfahrens. Auch sollen in Erstaufnahmeeinrichtungen Bargeldleistungen möglichst durch Sachleistungen ersetzt werden. Die Höchstdauer der Aussetzung von Abschiebungen durch die Bundesländer wurde von sechs auf drei Monate reduziert, der Termin der Abschiebung darf nicht mehr angekündigt werden, um die Gefahr des Untertauchens zu verringern. Die Integrationskurse wurden für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet und das Leiharbeitsverbot gelockert.

Seit Februar 2016 gilt das "Datenaustauschverbesserungsgesetz" (18/7043, 18/7258), das die Einführung eines fälschungssicheren "Ankunftsnachweises" als grundsätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen und die Stellung eines Asylantrages regelt. Danach werden die möglichst beim Erstkontakt in einem "Kerndatensystem" erfassten Daten der Betroffenen allen zuständigen Stellen elektronisch zur Verfügung gestellt.

Im März 2016 trat eine weitere Verschärfung der Ausweisungsregelungen für straffällige Ausländer (18/7537, 18/7646) in Kraft als Reaktion auf die massenhaften Übergriffe mutmaßlich vor allem junger Migranten auf Frauen in der Silvesternacht einige Wochen zuvor. Zeitgleich erlangten Neuregelungen "zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" (18/7538, 18/7645) Gesetzeskraft. Dieses "Asylpaket II" beinhaltet ein beschleunigtes Verfahren von maximal drei Wochen für bestimmte Asylbewerber, etwa solche aus sicheren Herkunftsländern, sowie den Abbau von "Abschiebungshindernissen aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen". Einer Abschiebung stehen "grundsätzlich nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen" entgegen, wenn diese sich sonst wesentlich verschlechtern würden.

Familiennachzug strittig Ferner wurde der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutzstatus für zwei Jahre ausgesetzt. Letzteres sorgte noch Anfang Juni 2017 im Bundestagsplenum für scharfe Töne innerhalb der Koalition, weil nach der Verabschiedung der Regelung die Zahl davon betroffener Syrer massiv stieg und neben der Opposition daher auch Sozialdemokraten entschieden für ihre Aufhebung eintreten. Zu einer Abstimmung darüber kam es nicht.

Die im Bundestag auch gegen die Stimmen einer Reihe von SPD-Abgeordneten im Mai 2016 beschlossene Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten (18/8039) scheiterte im März 2017 im Bundesrat. Dem schon erwähnten "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" stimmte die Länderkammer dagegen vergangenen Monat zu. Danach können ausreisepflichtige Ausländer besser überwacht sowie leichter in Abschiebehaft genommen werden, wenn von ihnen "eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter" oder die innere Sicherheit ausgeht. Dabei geht es nicht nur um die Abwehr terroristischer Gefahren durch "Gefährder" (siehe Beitrag rechts), sondern explizit auch um Drogendealer. Weitere Maßnahmen zielen unter anderem auf Geduldete, die etwa ihre Identität verschleiern. Auch kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zur Feststellung der Identität von Asylsuchenden ohne gültige Ausweispapiere deren Handys auswerten.