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EDITORIAL : Keineswegs langweilig

24.07.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
2 Min

Vier Teile Koalition, ein Teil Opposition: Das war das Kräfteverhältnis, mit dem der Deutsche Bundestag nach zeitaufwendiger Regierungsbildung seinerzeit in die jetzt endende 18. Legislaturperiode ging. Eine übermächtige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD traf auf eine überschaubare Runde der Politiker von Grünen und Linken. Bald wurde die Frage diskutiert, ob eine zahlenmäßig derart schwache Opposition ihrer Rolle im Parlament gerecht werden kann. In der Folge hat der Bundestag in einem bemerkenswerten Akt demokratischen Verantwortungsbewusstseins die Rechte der parlamentarischen Minderheit gestärkt.

Heute ist zu bilanzieren, dass grüne und linke Positionen in den vergangenen vier Jahren gewiss nicht unter den Tisch gefallen sind. Das lag auch an den außergewöhnlich zahlreichen Untersuchungsausschüssen. Diese haben allesamt brisante und öffentlichkeitswirksame Themen verhandelt. Sie waren damit auch ein mediales Sprachrohr für die Opposition (siehe auch Seite 3).

Diese Legislaturperiode war mit der Flüchtlingskrise von einer politischen Herausforderung besonderen Kalibers geprägt. Die anfängliche Solidarität der Nation wich allmählich der Sorge, der Masse Zuflucht suchender Menschen dauerhaft nicht standhalten zu können. Das wiederum zeitigte innenpolitische Konsequenzen. So kam es zwischen CDU und CSU zu heftigem Streit über die Flüchtlingspolitik. Unvergessen die Fernsehbilder einer Kanzlerin, die vom Vorsitzenden der Schwesterpartei vor einem Millionenpublikum vorgeführt wurde.

Derweil etablierte sich im Windschatten weit verbreiteter Unzufriedenheit mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine neue Partei in zahlreichen Landtagen. Das hat die Bundespolitik nachhaltig beeinflusst. Wurden in allen Parteien anfänglich hilflose Erklärungsmuster bemüht, reifte später die Erkenntnis, dass der rechtspopulistische Erfolg auch mit eigenen Unzulänglichkeiten zu tun haben könnte. Politische Prozesse, hieß es, müssten besser erklärt, die Sorgen und Nöte der Wähler ernster genommen werden. Ein richtiger Ansatz.

Mit dieser 18. geht gewiss keine langweilige Legislaturperiode zu Ende. Es ging streitbar zu und versöhnlich, laut und nachdenklich, polternd und taktierend, unpersönlich und herzlich. Kurzum: im besten Sinne parlamentarisch.