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arbeit Und soziales : Was ist »fair«?

Die einen schlagen eine Kommission zur Zukunft der Rente vor, andere haben schon fertige Konzepte gegen Altersarmut in der Tasche. Und alle wollen gerechte Löhne.

18.09.2017
2023-08-30T12:32:27.7200Z
5 Min

Für die CDU ist sozial, was Arbeit schafft. Sie lobt sich deshalb dafür, dass es ihr gelungen sei, die Arbeitslosigkeit in der Regierungszeit Angela Merkels zu halbieren. Die CSU schreibt, der Sozialstaat werde falsch verstanden, wenn er Leistung hemmt und ein "allumfassender Versorgungsanspruch mit Vollkaskomentalität" abgeleitet wird. Die SPD stellt fest, dass es zwar vielen Menschen gut gehe, "aber sie spüren auch, dass es in unserer Gesellschaft nicht überall gerecht zugeht", es sei deshalb "Zeit für einen starken Sozialstaat". Für Die Linke ist die "Welt aus den Fugen", denn der Reichtum wachse täglich und komme nur wenigen zugute. Die Grünen bedienen sich bei einem Nena-Song und appellieren "Zukunft wird aus Mut gemacht". Die Partei verspricht, den Wohlstand gerechter zu verteilen, weil zu große Ungleichheit einer demokratischen Gesellschaft schade. Die FDP singt das Lied der Flexibilität und setzt auf das Versprechen, "dass alle Bürgerinnen und Bürger durch Weiterbildung beim digitalen Wandel mithalten können". Die AfD warnt: Eine Auflösung des Nationalstaates gefährde unweigerlich unsere sozialstaatlichen Errungenschaften.

Es wird also viel proklamiert - in allen Wahlprogrammen. Gerade beim Thema soziale Gerechtigkeit, die viele Menschen als ein sehr wichtiges politisches Aufgabengebiet betrachten. Die Rente war eines der großen sozialpolitischen Themen der vergangenen Legislaturperiode. Es wurden die Rente mit 63, die Mütterrente, Verbesserungen bei der Erwerbsminderung und die Flexi-Rente eingeführt. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde der diesjährige Bundestagswahlkampf ein Rentenwahlkampf werden, weil zur Frage drohender Altersarmut bisher aus Sicht vieler noch keine Lösungen auf dem Tisch liegen. So ist es zwar nicht gekommen. Dennoch spielt die Rente angesichts eines verbreiteten Niedriglohnsektors und einer älter werden Bevölkerung eine große Rolle im Wahlkampf. Ein Blick in die Wahlprogramme verrät allerdings, dass es vor allem SPD, Linke, Grüne und die FDP sind, die schon mit detaillierten Konzepten zur Zukunft der Alterssicherung aufwarten.

Rentenkommission CDU und CSU verweisen vor allem auf Erreichtes und kündigen die Bildung einer Rentenkommission an, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll, wie es mit der Rente ab 2030 weitergehen soll. Bis dahin sei die Rentenversicherung gut aufgestellt, resümieren beide Parteien. Sie bekennen sich zum Drei-Säulen-Konzept, mit der gesetzlichen Rente als zentralem Element und der zusätzlichen privaten- und betrieblichen Vorsorge und halten an der Rente mit 67 fest. Die CSU fordert darüber hinaus eine Mütterrente II, also die Anrechnung eines dritten Erziehungsjahres für Kinder, die vor 1992 geboren wurden.

Doppelte Haltelinie Die SPD spricht sich für eine "doppelte Haltelinie" bei Beitragssatz und Rentenniveau aus: Sie möchte das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis mindestens 2030 garantieren, der Beitragssatz soll nicht über 22 Prozent steigen. Um Altersarmut zu verhindern, schlägt die SPD eine "Solidarrente" für jene vor, die 35 Jahre lang Beiträge eingezahlt haben oder Erziehungs- und Pflegezeiten angerechnet bekommen, deren Rente aber dennoch unter dem Grundsicherungsniveau liegt. Die Solidarrente soll zehn Prozent über der Grundsicherung liegen.

Rente ab 65 Die Linke fordert, die gesetzliche Rente müsse den Lebensstandard im Alter sichern und will das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben. Ihr Ziel ist eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbstständige, Beamte und Politiker einzahlen. Um Altersarmut zu verhindern, soll es außerdem eine "solidarische Mindestrente" von 1.050 Euro pro Monat geben, nach vorheriger Einkommens- und Vermögensprüfung. Außerdem fordert Die Linke als einzige Partei eine Rückkehr zur Rente mit 65.

Neue Altersteilzeit Die Grünen möchten ebenfalls, dass das Rentenniveau nicht weiter sinkt und dadurch die gesetzliche Rente stärken. Auf dem Weg zur Bürgerversicherung sollen auch Selbstständige, Minijobber und Abgeordnete in die gesetzliche Rente einzahlen. Gleichzeitig strebt die Partei eine steuerfinanzierte "Garantierente" an, die oberhalb der Grundsicherung liegen soll. Sie bekennt sich zur Rente mit 67, will aber die Möglichkeiten verbessern, früher in Rente gehen zu können. Deshalb soll ab 60 Jahren eine Altersteilzeit durch eine attraktive Teilrente gefördert werden.

Baukastenprinzip Die FDP schlägt bei der Rente ein "Baukastenprinzip" vor. Um drastische Beitragssteigerungen bei der gesetzlichen Rente zu vermeiden, müsse das Rentenniveau "angepasst" werden, so die Liberalen. Betriebsrente und private Vorsorge sollen attraktiver gemacht und Selbstständige mit einer Basisabsicherung besser abgesichert werden. Außerdem spricht sich die FDP gegen eine starre Regelaltersgrenze aus, vielmehr solle jeder ab 60 Jahren selbst entscheiden, wann er in Rente geht, vorausgesetzt, er oder sie hat zu diesem Zeitpunkt schon eine Rente erarbeitet, die über der Grundsicherung liegt. Wer früher in Rente geht, muss jedoch Abschläge in Kauf nehmen.

Steuerzuschuss für Betriebsrenten Die AfD setzt ebenfalls auf ein Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge und möchte die gesetzliche Rente zumindest zeitweise stärker aus Steuermitteln mitfinanzieren, um die Beitragsentwicklung in Grenzen zu halten. Betriebrenten und private Vorsorge sollen stärker steuerlich gefördert werden. Jeder soll nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können.

Mindestlohn Die Parteien wissen, dass zu niedrige Löhne der Hauptgrund für Altersarmut sind. Deshalb betonen sie durchweg, prekäre Beschäftigungsverhältnisse abzulehen und bekennen sich zum Mindestlohn. Bei einigen hängt jedoch ein "Aber" hinter diesem Bekenntnis, das für die Verfechter des Mindestlohns durchaus nach einer Aufweichung desselben klingt. So betonen CDU und CSU und FDP, dass beim Mindestlohn bürokratische Hürden abgebaut werden müssten, zum Beispiel die minutengenaue Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten. Für Die Linke ist dies jedoch essentiell, um den Mindestlohn nicht auszuhöhlen. Sie strebt eine Erhöhung von jetzt 8,84 Euro auf zwölf Euro pro Stunde an, da man nur so eine Rente oberhalb der Grundsicherung erarbeiten könne.

Leiharbeit Differenzen gibt es auch bei der Haltung zu Leiharbeit, befristeter Beschäftigung und Minijobs. CDU, CSU und FDP betonen, die Arbeitgeber bräuchten die Flexibilität solcher Beschäftigungsverhältnisse. Die Linke würde Leiharbeit am liebsten ganz abschaffen, fordert aber zunächst, wie SPD und Grüne, die gleiche Bezahlung für Leiharbeiter wie für Stammbelegschaften ab dem ersten Arbeitstag. Einig sind sich die drei Parteien auch darin, die sachgrundlose Befristung abschaffen zu wollen. Linke und Grüne wollen zudem Minijobs abschaffen beziehungsweise in sozialversicherungspflichtige Jobs umwandeln.