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gesundheit : Justieren an einem komplexen System

Finanzfragen und die Pflegeversorgung spielen in den Wahlprogrammen der Parteien eine wichtige Rolle

18.09.2017
2023-08-30T12:32:27.7200Z
3 Min

In der Gesundheitspolitik gibt es im Bundestag bisweilen eine gefühlte Koalition von SPD, Linken und Grünen. Diese Parteien setzen sich für einen Systemwechsel ein und werben für die Bürgerversicherung , also eine Abkehr vom dualen System aus Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung (PKV/GKV). Die Forderung spielt in den Wahlprogrammen eine wichtige Rolle. Zugleich soll es eine einheitliche Gebührenordnung für Ärzte geben.

Im SPD-Wahlprogramm heißt es, eine Zwei-Klassen-Medizin solle es nicht mehr geben. In die Bürgerversicherung sollten alle einzahlen, also auch Beamte, die heute vielfach privat versichert sind. Bisher privat Versicherte dürfen wählen, ob sie in die GKV wechseln möchten. Zugleich sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder zu gleichen Teilen (Parität) an der Finanzierung der Beiträge beteiligt werden. Damit würde der Zusatzbeitrag zulasten der Versicherten entfallen. Für Selbstständige mit geringem Einkommen sollen außerdem günstigere Tarife angeboten werden, chronisch Kranke sollen von Zuzahlungen entlastet werden.

Die Linke setzt auf eine "solidarische Gesundheitsversicherung", in die auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einzahlen und spricht im Wahlprogramm explizit von der Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung. Leistungen sollen ohne Zuzahlungen gewährt werden. Dafür will die Linke zur Finanzierung auch Kapitaleinkommen heranziehen und die Beitragsbemessungsgrenze kippen. Je höher das Einkommen, desto höher der Beitrag.

Kernforderungen der Grünen decken sich mit denen von SPD und Linken. Nach Ansicht der Grünen würde das Gesundheitssystem mit der Bürgerversicherung "stabil, zukunftsfest und fair finanziert".

Die Union lehnt die Bürgerversicherung hingegen strikt ab. Das Gesundheitswesen habe sich mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen bewährt. Auch die FDP erteilt einer "staatlichen Zwangskasse" eine Absage und setzt stattdessen auf mehr Wettbewerb zwischen den Kassen. Ferner soll es "Rückwege aus der PKV in die GKV" geben. Die AfD hält sich im Systemstreit bedeckt, befürwortet aber die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung und beklagt, dass die Gesundheitskosten "für Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber aus dem Ruder laufen".

Weitere Gesundheitsthemen in den Wahlprogrammen der Parteien sind die Pflege , die Krankenhaus- und Arzneimittelfinanzierung, die hohen Versicherungsbeiträge der Hebammen sowie die digitale Vernetzung. Die Union will eine "konzertierte Aktion Pflege" mit mehr Reha-Angeboten ins Leben rufen sowie Kinder pflegebedürftiger Eltern bei den Unterhaltskosten entlasten. Die FDP möchte vor allem die Pflege-Bürokratie auch mit Hilfe von IT-Systemen zurückdrängen. Die AfD will dem "Pflegenotstand" mit einem "verbindlichen, länderübergreifenden Mindestpersonalschlüssel" entgegenwirken und stellt dabei die Abrechnung nach Fallpauschalen in Kliniken (DRG) infrage.

Auch SPD, Linke und Grüne halten mehr und besser bezahltes Pflegepersonal für nötig. Die SPD plädiert für verbindliche Personalstandards in Kliniken und will ein Sofortprogramm für mehr Personal in der Altenpflege auflegen.

Die Grünen setzen auf den Ausbau von ambulanten Wohn- und Pflegeformen und wollen einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige Pflegeberatung durch Fallmanager einführen. Sie schlagen ferner eine dreimonatige "Pflegezeit Plus" sowie jährlich zehn Tage für akute Notsituationen vor. Pflegende sollen dabei eine Lohnersatzleistung erhalten.

Die Linke will eine Pflegevollversicherung einführen anstelle der Teilabsicherung, den Pflegevorsorgefonds auflösen und in einen Pflegepersonalfonds umwandeln sowie mehr Personal zu besseren Löhnen gewinnen.

SPD und Linke fordern auch eine effektive Begrenzung der Arzneimittelpreise . Die Linke will Preise für neue Medikamente schon ab der Zulassung deckeln und den Einfluss der Pharmakonzerne insgesamt "zurückdrängen". Bei der SPD heißt es, Arzneimittelpreise müssten "ethisch vertretbar" sein. Die Grünen wollen die Zuzahlungen für Medikamente abschaffen. Die Union setzt auf den Ausbau der medizinischen Forschung, um Krebs, Diabetes oder Demenz sowie seltene Erkrankungen heilen und neue Antibiotika entwickeln zu können. Außerdem will die Union den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten, um Apotheken gegen ausländische Billigkonkurrenz zu schützen. Die FDP lehnt ein solches Pauschalverbot ab, will aber die Apotheken gezielt stärken. Die Liberalen befürworten außerdem eine "kontrollierte Freigabe von Cannabis".