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konzerne : Das Saatgut-Monopoly

Fusion von Bayer und Monsanto bedeutet das Ende der grünen Gentechnik in Deutschland

13.11.2017
2023-08-30T12:32:29.7200Z
6 Min

Am Anfang stand ein Brief: Am 10. Mai 2016 schrieb Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, an Hugh Grant, den Chairman and Chief Executive Officer der amerikanischen Monsanto Company, einen Brief, der offiziell den Übernahmeprozess einleitete: "Bayer ist seit langem beeindruckt vom Geschäft, dem Führungsteam und der großen Innovationsfähigkeit von Monsanto wie auch von seinem Engagement für die Landwirte. Für mich war es eine gute Gelegenheit, Ihre Vorstellung von den Vorteilen eines global integrierten Agrargeschäfts kennenzulernen - die Kombination von Saatgut und Pflanzeneigenschaften, Pflanzenschutz, Biologika und Digital Farming als Erfolgsformel. Wir planen, St. Louis, Missouri, USA als Hauptsitz des weltweiten Bereichs Saatgut und Pflanzeneigenschaften - einschließlich der entsprechenden Forschung und Entwicklung - sowie als Zentrale für Nordamerika weiterzuführen."

Größte Übernahme Die bis dato größte Übernahme der deutschen Industriegeschichte würde Bayer damit zum größten Agrochemiehersteller der Welt machen. Eine wesentliche Rolle dürfte bei dieser Entscheidung das aktuelle Übernahmekarussell in der Agrochemie spielen, denn zwischenzeitlich fusionierten die beiden größten amerikanischen Chemiekonzerne Dupont und Dow Chemical und bilden einen Anbieter von Agrochemie mit Umsätzen von 18 Milliarden Dollar, gefolgt von der Schweizer Syngenta, die von dem chinesischen Staatskonzern ChemChina geschluckt wurde. Diese drei Konzerne würden circa 60 Prozent des Weltsaatgutes- und 65 Prozent des Pestizidmarktes kontrollieren. Damit erfolgen die Übernahmen einem globalen Trend zur Oligopolisierung der industrialisierten Landwirtschaft.

Der Kapitalmarkt sieht, bezogen auf den Bayer-Aktienkurs, die Monsanto Übernahme eher skeptisch, da das Umsatzplus teuer erkauft wird und die Refinanzierung über Synergien sehr mühsam erscheint. Was steckt dann hinter einer überteuerten Übernahme? Offiziell imponieren den Bayer-Managern das Monsanto-Know-how in der Biotechnologie und bei der Digitalisierung der Landwirtschaft. Man rechnet mit einem rapide steigenden Bedarf an Agrochemie und neuem Saatgut, weil die Weltbevölkerung wächst und der Klimawandel neue Ansätze in der Landwirtschaft notwendig macht. Andererseits hat Monsanto mit seinem Kundenbindungs-Geschäftsmodell ("Lock-in") in Sachen Saatgut und dem Glyphosat-Produkt "Roundup" so einen schlechten Ruf, dass man gemeinsam mit dem Ölkonzern Shell das Sigwatch-Ranking anführt, - also der Unternehmen, die am meisten Kritik von Nicht-Regierungsorganisationen auf sich ziehen.

Das erste Produkt des 1901 gegründeten Monsanto-Unternehmens war der Süßstoff Saccharin, später war man Lieferant des Herbizids "Agent Orange", berühmt geworden durch die Entlaubung von Wäldern im Vietnamkrieg. Weiterhin entwickelte Monsanto das weltweit meistgebrauchte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Die Substanz ist wegen der Resistenzentwicklung bei Unkräutern, eines nicht eindeutig widerlegten Krebs-Verdachtes und möglicher Umweltschäden sehr umstritten. Da China und Indien aufgrund des Patentablaufes momentan die größten Mengen des Wirkstoffs produzieren, erscheint die öffentliche Erregungs-Diskussion bezüglich Glyphosat und dem Bayer-Deal wenig zielführend.

Monsanto konzentriert sich auf die Züchtung von Hochleistungssorten und entwickelte unter anderem Saatgut, das selbst ein Insektengift produzieren kann und deshalb resistent gegen Schädlinge ist. Auch das Besprühen mit Unkrautvernichtern, die Monsanto selbst vertreibt, überstehen gentechnisch veränderte Sorten des Konzerns. Vorreiter ist der Branchenprimus beim Genmais. Sogenannte Hybridzüchtungen können bei optimaler Versorgung mit Wasser, Dünger und Pestiziden einen 15 bis 30 Prozent höheren Ertrag abwerfen, die nächste Generation des Saatguts muss aber wieder bei Monsanto gekauft werden, was die Kunden zwingt, bei Monsanto zu bleiben ("Lock in"). Die genmanipulierten Pflanzen werden patentiert, und somit hat der Konzern die Nutzungsrechte vom Saatgut bis zum fertigen Produkt beziehungsweise die Kontrolle über die komplette Lebensmittelkette.

Konzentration Diese Mechanismen verstärken die Konzentration auf dem Saatgutmarkt und die damit verbundene Selektion des Saatguts auf wenige Hochleistungssorten. Auf acht Prozent der globalen Ackerflächen wachsen zurzeit gentechnisch veränderte Pflanzen - ein großer Teil davon kommt von Monsanto. Laut Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) sind inzwischen etwa 75 Prozent der Kulturpflanzenvielfalt verloren gegangen.

Die Behörden spielen in dem Saatgut-Monopoly eine gewichtige Rolle: Grundprinzip der EU-Richtlinien ist es, dass nur Sorten gehandelt werden dürfen, die von einer nationalen Behörde zugelassen sind. Eine Sorte wird zugelassen, wenn sie unterscheidbar, homogen und stabil ist. Damit zielen die Kriterien der Zulassung in erster Linie auf Hochleistungssorten ab. Viele lokal angepasste, seltene und alte Sorten von Gemüse, Obst und Getreide, die auf genetischer Vielfalt beruhen, können diese Kriterien nicht erfüllen, da sie nicht einheitlich genug sind. Zudem fehlen kleineren Betrieben und Gärtnereien oft die nötigen Mittel, um kostspielige Testverfahren zu finanzieren. Die Kleinen werden bürokratisch sanktioniert "platt gemacht".

Verlust der Artenvielfalt Führen diese Konzentrationsprozesse in der Agrochemie nun zu vermindertem Wettbewerb und einem Diktat von Produkten, Preisen und Qualitäten? Der jetzt schon dramatische Verlust der Artenvielfalt durch die industrialisierte Landwirtschaft wird durch Produktivitätssteigerungen, durch die Bewirtschaftung immer größerer Flächen, Schaffung von Monokulturen und den Großeinsatz von Pestiziden und Gentech-Pflanzen beschleunigt. Im Fokus für Wachstum und Expansion des Oligopols steht vor allem jenes Saatgut, welches im Globalen Süden noch keiner kommerziellen Nutzung unterliegt. Türöffner hier sind staatliche Entwicklungshilfen wie Water Efficient Maize for Africa (WEMA), welche über öffentlich-private Partnerschaften (PPP) unter anderem stark für die Einführung von genverändertem Mais in Afrika werben. Es ist zu befürchten, dass die Markt- und vor allem Lobbymacht der großen Agrochemie-Konzerne langfristig in die globale Kontrolle über die Nahrungsmittelherstellung führt.

Für Deutschland bedeutet der Deal das finale Ende der grünen Gentechnik. Im "privaten" Gespräch mit US-Präsident Donald Trump wurde angeblich versprochen, 3.000 neue Jobs in den USA zu schaffen und acht Milliarden US-Dollar in den US-Standort von Monsanto zu investieren, also, eine Verlagerung der Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten in die USA. Nach dem Ausstieg der BASF aus der grünen Gentechnik in Deutschland und der Zerstückelung von Hoechst wird das Entwicklungsfeld komplett den Amerikanern und Chinesen überlassen.

Die Übernahme schränkt den Spielraum für Investitionen und Übernahmen im margenstarken Bayer-Pharmasegment ein. Neben Krediten soll die Übernahme zu lediglich einem Viertel aus eigenen Mitteln finanziert werden. 75 Prozent sollen alternativ finanziert werden. Sparrunden und der Verkauf einzelner Sparten sind die logische Konsequenz, Die Veräußerung von Chemie-Aktivitäten wie bei den Töchtern Lanxess und Covestro erscheint notwendig, um den Deal zu finanzieren Das erinnert an die Zerschlagung von Hoechst, die mit einer missglückten Fusion mit Monsanto begann und in einem Technologiemuseum für rote Gentechnik (Insulinherstellung) in Frankfurt endete. Weitere Treiber hinter dem Zusammenschluss sind die Großbanken Bank of America, Merrill Lynch und Credit Suisse, die Bayer auch in Fusionsfragen beraten, sowie die HSBC, Goldman Sachs und JP Morgan, welche die Brückenfinanzierung stellen. Auch als Arrangeur für die Bondemissionen und die Kapitalerhöhung befinden sich die fünf Banken in finalen Verhandlungen und erwarten erhebliche Provisionen. Die global tätigen Beratungsunternehmen werden zusätzlich die Umstrukturierung des neuen Konzerns begleiten, um die üblichen "Synergien" zu heben und sich an ihren beeindruckenden Tagessätzen erfreuen. Auch das entspannte Abschiedsgeld von 135 Millionen Dollar mag Monsanto-Chef Hugh Grant gnädig gestimmt haben.

Übernahmen Ist der Zusammenschluss nun Ausdruck für den Wahn zur Größe oder ein Angriff auf die globale Ernährungssouveränität? Die Übernahme muss im Lichte der US-amerikanischen und chinesischen Übernahmen gesehen werden, welche den Trend zur Oligopolisierung der Welternährung vorantreiben. Nicht übersehen werden darf das Zusammenspiel der Behörden (USA, EU, Kartellämter), ohne deren Zustimmung diese Konzentration von Macht nicht möglich wäre. Die industrielle Logik des Oligopols wäre diese: Wer über Saatgut und genetisches Material verfügt, der erlangt die Kontrolle über die Landwirtschaft, über die Lebensmittelerzeugung und die Welternährung. Diese Art von Monopoly sollte daher demokratisch kontrolliert und legitimiert werden und darf nicht den Heerscharen von Lobbyisten und dem Kapitalmarkt überlassen werden. Der Monsanto- Bayer Deal ist jedoch nur ein Puzzleteil in dem globalen Monopoly.

Die kategorische Ablehnung der grünen Gentechnologie allerdings wird sicher auch nicht helfen, den Hunger in der Welt zu besiegen. Darauf machten im letzten Jahr mehr als einhundert Nobelpreisträger aufmerksam, die sich in einem Brief für den zielführenden Einsatz dieser Technologie aussprachen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, mit den Forschern an einem Strick zu ziehen und die grüne Gentechnik für nachhaltige Anwendungen zu nutzen, anstatt auf anti-wissenschaftliche Propaganda zu setzen. "Die Technik von heute ist das Brot von morgen - die Wissenschaft von heute ist die Technik von morgen", sagte einst Bundespräsident Richard von Weizsäcker.