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Ortstermin: Vereinigung für Parlamentsfragen : »Nicht-Kommunikation wird schiefgehen«

18.12.2017
2023-08-30T12:32:31.7200Z
3 Min

1989 hat Frank Richter als Vertreter von Bürgerrechtsgruppen die Kommunikation mit den SED-Oberen gesucht - und gefunden. 25 Jahre später hat er das Gespräch mit Pegida-Demonstranten gesucht - und gefunden. Der Dresdner Theologe, acht Jahre lang Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung, ist ein allseits anerkannter Moderator. Vergangenen Mittwoch war er Gastredner einer Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen mit dem Titel: "Kommunikationsstörungen und Demokratiedefizite - Für eine Streitkultur des Verstehen-Wollens". Dabei machte Richter deutlich, dass er mit dem Gesprächsangebot an Pegida, für das er auch viel Schelte einstecken haben müsse, nichts Ungewöhnliches getan habe, sondern nur das, was in seiner Tätigkeitsbeschreibung als Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung gestanden habe. "Nämlich dafür zu sorgen, dass der politische Diskurs in der Gesellschaft offen und kontrovers geführt werden kann." Sein Engagement im Jahr 2014 sei auch nötig gewesen, weil andere, die sich von ihrer Profession her der Diskussion auch hätten stellen müssen, "es offenbar nicht getan haben".

Durch Pegida sei seinerzeit deutlich geworden, dass es eine "Dialogverweigerung" über viele Monate und Jahre gegeben habe. "Ferndiagnosen" wie etwa vom nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD), der die Demonstranten in Dresden "Nazis in Nadelstreifen" genannt habe, die Formulierung von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), der von einer "Mischpoke" gesprochen habe oder die "Schande für Deutschland"-Aussage von Justizminister Heiko Maas (SPD) hätten zudem den "gefährlichen Hintermännern von Pegida" in die Karten gespielt.

Auf dem Höhepunkt der Pegida-Bewegung seien es immerhin 25.000 Menschen gewesen, die schweigend durch Dresden gezogen seien und damit hätten deutlich machen wollen: Wir haben mit eurer Ordnung nichts mehr zu tun. Laut Richter gab es ein Zeitfenster zwischen November 2014 und Januar 2015, "in dem eine offene politische Kommunikation fast alles richtig hätte machen können". Man hätte sich stellen und wahrnehmen müssen, "dass sich da offenbar etwas angestaut hat". So hätte man die Menschen, "die in die falschen Hände geraten waren" abholen können. Bedauerlicherweise sei aber vieles falsch gemacht worden - auch durch die Etikettierung der 25.000 Menschen als Nazis. Richter forderte, "die schweigende Mehrheit in den Dialog zu bringen". Jene aber, "die unsere Ordnung bekämpfen, müssen identifiziert, isoliert und gesellschaftlich geächtet werden".

Der Dresdner Theologe ging auch auf die Frage ein, warum es insbesondere in Ostdeutschland "Akzeptanz- und Aneignungsdefizite der besten Ordnung, die Deutschland je hatte", gebe. Die Gründe dafür seien vielfältig, so Richter. Ein Momentum sei die "Überschichtung der ostdeutschen Gesellschaft durch westdeutsche Eliten". Der Sachverhalt, dass 70 bis 80 Prozent der ersten, zweiten und dritten Chefetage in den wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Bereichen im Osten Deutschlands durch Westdeutsche gestellt würden, könne nicht ohne Wirkung bleiben auf die Akzeptanz der Ordnung, sagte Richter, der abschließend noch ein eindeutiges Plädoyer für mehr Mut zur Kommunikation hielt. "Kommunikation kann schiefgehen", sagte der ehemalige Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung und fügte hinzu: "Nicht-Kommunikation wird schiefgehen." Götz Hausding