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wirtschaftspolitik : Aufschwung für alle

Streit über die Investitionen, die größtmögliche Teilhabe am Erfolg versprechen

22.05.2018
2023-08-30T12:34:29.7200Z
4 Min

Es hat eine Weile gedauert, bis der Minister eine Klammer um das Aufgabenspektrum seines Hauses fand - was angesichts der Breite auch nicht überrascht. So landete Peter Altmaier (CDU) also nach Ausführungen über Handelsstreitigkeiten, Mittelstandsinitiativen, Kohlekommissionen und Stromleitungen erst gegen Ende seiner Rede bei dem Ziel, in dem sich alle Teilmaßnahmen treffen sollten: Es gehe um gleichwertige Lebensverhältnisse, egal wo oder wie man lebt. "Wir wollen, dass Deutschland ein lebenswertes Land bleibt, wo man in allen Teilen des Landes Lebensqualität und Selbstverwirklichung findet", sagte Altmaier am Donnerstag im Bundestag bei der Debatte über seinen auf 8,11 Milliarden Euro angewachsenen Etat. Im vergangenen Jahr lag das Budget noch bei 7,73 Milliarden Euro. Die Vision der gleichwertigen Lebensverhältnisse entwarf Altmaier auch vor dem Hintergrund der robusten Wirtschaftslage, die ihresgleichen suche. "Wir haben einen Aufschwung, der bei den Menschen ankommt und der von den Menschen inzwischen auch wahrgenommen wird."

Von seinem Etat darf Altmaier 5,04 Milliarden Euro für Zuweisungen und Zuschüsse (2017: 5,05 Milliarden Euro) ausgeben, während sich energiepolitische Maßnahmen auf 2,5 Milliarden Euro summieren (2017: 2,64 Milliarden Euro). Für die Mittelstandsförderung sind 918,06 Millionen Euro eingeplant im Vergleich zu 920,5 Millionen Euro 2017. Davon entfallen wie im Vorjahr 600 Millionen Euro auf Zuweisungen für betriebliche Investitionen und die wirtschaftsnahe Infrastruktur im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Für die Außenwirtschaftsförderung sind 238,17 Millionen Euro vorgesehen (2017: 228,05 Millionen Euro). Unter der Überschrift "Innovation, Technologie und Neue Mobilität" sind Ausgaben in Höhe von 3,1 Milliarden Euro zusammengefasst (2017: 2,74 Milliarden Euro), zu denen auch 543,47 Millionen Euro (2017: 548,47 Millionen Euro) für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) zählen, 422,26 Millionen Euro sind für die "Digitale Agenda" vorgesehen (2017: 173,03 Millionen Euro). Schließlich schlagen die Ausgaben für die Luft- und Raumfahrt mit 1,73 Milliarden Euro zu Buche (2017: 1,62 Milliarden Euro).

Die Ausgaben für die Abwicklung des Steinkohlenbergbaus sollen 2018 immer noch 1,29 Milliarden Euro betragen (2017: 1,38 Milliarden Euro). Für die Förderung der Energieforschung sind 431.643 Millionen Euro eingestellt (2017: 430,48 Millionen Euro), für die energetische Gebäudesanierung soll mit 407,9 Millionen Euro gefördert werden (2017: 455 Millionen Euro).

Ja zu freiem Welthandel Altmaier will mit den Mitteln die Voraussetzungen schaffen, dass der Aufschwung weitergeht - etwa mit einer Mittelstandsagenda, mit Maßnahmen zur Digitalisierung und mit Kompetenzzentren, die sich an Gründer und Startups richten. Entscheidend seien dabei stabile politische Rahmenbedingungen, und zwar auch international. Damit spannte Altmaier den Bogen zu aktuellen politischen Konflikten wie dem Handelsstreit mit den USA und den Spannungen rund um die geplante Pipeline Nord Stream 2. Deutschland und Europa stünden an einer Kreuzung - zwischen einem Zurückfallen in die Zeiten von Abschottung oder einer Entscheidung für freie Weltmärkte.

Für den Koalitionspartner SPD erklärte der Abgeordnete Bernd Westphal, wichtig sei, dass die Inhalte aus dem Koalitionsvertrag eins zu eins umgesetzt würden. Er verwies dabei auf die geplante Kommission, die den Strukturwandel für die Bergbauregionen abmildern soll. Die Regierung müsse verlässliche Lösungen schaffen, um den Betroffenen Unsicherheiten zu nehmen. Seine Kollegin Sabine Poschmann mahnte, die Mittelstandsförderung ernst zu nehmen. Eine Kürzung der Mittel für das ZIM könne nicht die Antwort sein - hier sei Luft nach oben.

Mittelstandsförderung angemahnt Die Opposition wurde in ihrer Kritik deutlicher. Die AfD-Fraktion bezeichnete die gute Wirtschaftsentwicklung als Ergebnis europäischer Geldpolitik. Das Wachstum werde durch die Notenpresse finanziert, und zwar zum Schaden deutscher Sparer, sagte der Abgeordnete Volker Münz. Auch die Energiepolitik kanzelte er ab - das Energieeinspeisegesetz etwa sei Planwirtschaft pur und gehöre abgeschafft. Die Fraktion möchte zudem das Gebäudesanierungsprogramm und die Fördermittel für Elektrofahrzeuge streichen.

Karsten Klein (FDP) vermisste wiederum ein Bekenntnis zur freien sozialen Marktwirtschaft. Arbeitsmarktpolitik müsse mehr von der Seite der Arbeitgeber her gedacht und dem Bedarf an Fachkräften nachgekommen werden. Es werde zu deutlichen Verlusten kommen, wenn Unternehmen nicht mehr ausreichend qualifiziertes Personel gewinnen könnten, warnte Klein. Scharf kritisierte der Abgeordnete auch vor diesem Hintergrund, dass die neue Bundesregierung der Digitalisierung kein eigenes Ministerium gewidmet hat. Dies wäre dringend notwendig gewesen.

Heidrun Bluhm (Die Linke) beklagte die Themen- und Kompetenzzersplitterung auf einem anderen Gebiet - dem von Klima und Energie. Dieses Wirrwarr sei mit dafür verantwortlich, dass die gesteckten Klimaziele nicht eingehalten werden könnten, erklärte sie. Mensch und Umwelt müssten im Zweifel vor wirtschaftlichen Interessen stehen; in diesem Zusammenhang dürfte der Einstieg in den Kohleausstieg auf keinen Fall vertagt werden. Auch Bluhm hob die vorgesehen Mittelkürzung beim ZIM missbilligend hervor.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlug in die gleiche Kerbe: Anja Hajduk forderte, das Mittelstandsprogramm hochzufahren anstatt es leicht abzusenken. Auch bräuchten Startups viel höhere Mittel, um erfolgreich bleiben zu können. Julia Verlinden vermisste konsequentes Handeln in der Energie- und Klimapolitik und beklagte eine Ankündigungspolitik, die an die früherer Bundesregierung erinnere. Viele Pläne lägen bereits in der Schublade, sagte sie. Der Minister müsse nur einmal nachsehen.