Piwik Webtracking Image

VERTEIDIGUNG : Koalition nicht im Gleichschritt

Ministerin von der Leyen will langfristig mehr Geld. Doch die SPD tritt auf die Bremse

22.05.2018
2023-08-30T12:34:29.7200Z
3 Min

Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Bereits in diesem Jahr soll der Wehretat um 1,49 Milliarden auf 38,49 Milliarden Euro steigen. So sieht es der Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes vor, über den der Bundestag am vergangenen Donnerstag in erster Lesung beriet.

Dies sei jedoch erst "der Anfang", betonte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zum Auftakt der Debatte. Die Bundeswehr benötige nach dem Sparkurs der vergangenen 25 Jahre "eine nachhaltig, stetig steigende Finanzlinie". Was dies in Zahlen bedeutet, lässt sich im Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 2019 und zur Finanzplanung bis 2022 nachlesen. So soll der Wehretat im kommenden Jahr auf 41,54 Milliarden Euro und bis zum Ende der Legislaturperiode 2022 gar auf 42,68 Milliarden Euro steigen. Dies ist Ministerin von der Leyen jedoch zu wenig. So stimmte sie dem Haushaltsentwurf für 2019, über den der Bundestag im September beraten wird, ebenso wie Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) nur unter dem Vorbehalt zu, das ihr Etatansatz deutlich erhöht wird (siehe auch Text unten). Denn während die Verteidigungsministerin für die gesamte Legislaturperiode einen Mehrbedarf von zwölf Milliarden Euro einfordert, beläuft sich die Steigerung nach den Planungen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf 5,5 Milliarden.

Zwei Prozent-Ziel Unterstützung findet von der Leyen in den Reihen der Unionsfraktion: "Die Eckwert, die bisher vorgesehen sind, müssen verstärkt werden", forderte der verteidigungspolitischer Sprecher Henning Otte (CDU). "Wir brauchen eine bessere Ausrüstung, für unsere Truppe, wir brauchen eine Modernisierung, und wir brauchen eine Fähigkeitsstärkung: bei der Führung, bei der Aufklärung, bei den gepanzerten Fahrzeugen, beim Lufttransport, im Cyberbereich und bei der Kommunikation", zählte Otte auf. Das von der Nato ausgegebene Ziel, ab 2025 zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben, müsse weiterhin angepeilt werden.

Beim Koalitionspartner stößt die Forderung nach einer Erhöhung des Wehretats über den vereinbarten Rahmen hinaus jedoch auf offene Ablehnung. Fritz Felgentreu, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hielt der Union entgegen, eine Diskussion über eine weitergehende Erhöhung mache erst dann Sinn, wenn "Ministerium und die Bundeswehrverwaltung ihre Hausaufgaben machen". In den vergangenen Jahren sei es dem Verteidigungsministerium nicht gelungen, die für Entwicklung und Beschaffung vorgesehenen Haushaltsmittel auszuschöpfen.

Dieses Argument bekam Ursula von der Leyen auch aus den Reihen der FDP, der Linken und der Grünen entgegen gehalten. Der FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein warf der Ministerin vor, während ihrer Amtszeit zwei Milliarden Euro für Rüstungsinvestitionen nicht ausgeben zu haben. Bevor sie einen größeren Wehretat einfordere, sollte sie dafür Sorge tragen, dass die vom Parlament bewilligten Gelder auch zielgerichtet ausgegeben werden, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten, sagte Klein. Es gebe kaum ein Rüstungsprojekt, das im Kosten- und Zeitrahmen geblieben sei, die Unzufriedenheit der Soldaten sei "erschreckend hoch" und in der Truppe herrsche Misstrauen gegenüber der Ministerin, kritisierte Klein.

Flexibilisierte Ausgaben Auch Tobias Lindner, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen, warf von der Leyen unseriöse Haushaltsführung vor. Sie kalkuliere die benötigten Mittel für Personal und Auslandseinsätze bewusst niedriger, um anschließend nicht abfließende Gelder für Rüstungsbeschaffungen umzuschichten. Dies sei möglich, weil die Ausgabenposten im Etat weitestgehend flexibilisiert seien. "Was Sie da produzieren, ist eine Gleichzeitigkeit von Überfluss und Mangel", sagte Lindner.

Michael Leutert, Haushaltspolitiker der Linksfraktion, rechnete vor, dass die Verteidigungsausgaben in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen seien. 2005 habe der Wehretat noch 24 Milliarden Euro betragen, jetzt liege er bereits bei 38,5 Milliarden Euro. Doch trotz der gestiegenen Ausgaben leide die Bundeswehr kontinuierlich unter den gleichen Problemen: "Flugzeuge und Hubschrauber fliegen nicht, U-Boote tauchen nicht, Schiffe schwimmen nicht, und alles wird immer teurer", sagte Leutert und fügte hinzu: "Wir müssen feststellen, dass wir keine effektiven Strukturen und ein schlechtes Management haben - das ist das Problem der Bundeswehr."

Die AfD hingegen hält die Bundeswehr für dramatisch unterfinanziert. Mit dem vorgelegten Haushalt, so kritisierte deren verteidigungspolitischer Sprecher Rüdiger Lucassen, werde die Bundeswehr nicht wieder einsatzbereit gemacht. "Mit ihm kann noch nicht einmal der weitere Fall aufgehalten werden." Lucassen forderte die Einhaltung des Zwei-Prozent-Zieles der Nato und einen jährlichen Verteidigungsetat von 70 Milliarden Euro ab 2025. Die Wehrpflicht müsse wieder eingeführt werden und die Bundeswehr auf eine Gesamtstärke von 240.000 Soldaten erhöht werden, erklärte Lucassen. Zudem müsse ein Reservistenkorps von 50.000 Soldaten nach dem Vorbild der amerikanischen Nationalgarde gebildet werden, das auch im Inland eingesetzt werden kann.