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Ortstermin: Freilichtkino am spreeufer : Geschichte animiert

09.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
3 Min

Auch nach sieben Jahren Organisation der Filmvorstellung bekommt Andreas Schröder noch Gänsehaut. Er ist gelernter Ingenieur für Theatertechnik und verantwortlich für die Installation "Dem deutschen Volke". Wenn die letzten Töne zu den historischen Szenen verklungen sind, beginnen für ihn die faszinierendsten Momente: Die Gespräche der von den Bildern aufgewühlten Menschen. Vor allem beim Fall der Mauer und der Enthüllung des Bundestages beginnen die Menschen, sich über ihre ganz eigenen Erinnerungen auszutauschen.

Bis zu 1.500 unterschiedliche Eindrücke können an einem Abend zusammenkommen - so viele Menschen fasst das südliche Spreeufer am Berliner Friedrich-Ebert-Platz, an dem die Installation gezeigt wird. Im 30-minütigen Schnelldurchlauf wird die Geschichte des deutschen Parlamentarismus, von der Kaiserzeit bis ins Jetzt, erzählt. In der Woche vor Beginn der Shows, wie Schröder sie nennt, fährt er abends mit dem Fahrrad bei den Probedurchläufen vorbei und guckt, ob alle Details stimmen, ob die Synchronisation auf die Millisekunde genau ist.

Das kann nämlich zum Problem werden, denn der Film wird über die Spree hinweg in das "Auge" des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses des Bundestages projiziert - immerhin 110 Meter Entfernung. Eine Herausforderung für den Theatertechniker, solch eine Open-Air-Bühne zu gestalten. So wird auch das Gebäude Teil der Inszenierung. Etwa dann, wenn die (animierte) Mauer bröckelt, Flammen aufzüngeln oder die Rosinenbomber über Berlin fliegen.

In lauen Sommernächten sind die Treppen an der Spree nach Anbruch der Dunkelheit voll besetzt. Der Laser und die Einlassmusik locken Menschen von der Kuppel hinunter und lassen Vorbeilaufende und Radfahrer stehen bleiben. Was vorher ein menschenleerer Platz war, wird nun jeden Abend zu einem Ort mit Anziehungskraft. Sogar einen Heiratsantrag habe es schon mal gegeben, den das Team natürlich spontan licht- und tontechnisch unterstützte, erzählt Schröder.

Die voll automatisierte Show ist das Resultat von viel Herzblut: "Wir überlassen nichts dem Zufall, alles ist dramaturgisch durchgeplant", sagt Schröder. Ein Lichtdesigner, das Redaktionsteam, ein Laserkünstler, die Tontechniker - alle fragen sich, an welcher Stelle braucht es ein "Extra" an Stimmung und wo vielleicht einfach nur Stille. Daran feilt das Team oft wochenlang. Schröder bildet dabei das Bindeglied zwischen Bundestag und Kreativteam. Zurück geht die Idee auf den ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), der 2010 auf einer Dienstreise in Ottawa eine ähnliche Installation über die Geschichte Kanadas sah und sich so etwas auch für den Bundestag wünschte. Seit 2011 betreut Schröder nun das Projekt und hat noch einiges vor mit der Installation.

Damit das Parlamentsviertel zum Kinosaal wird, bedarf es einiger Vorbereitung: Die Installation mit Lautsprechern und Scheinwerfern muss orkansicher an das Haus angebracht werden. "Früher wurde mit Gerüsten gearbeitet, jetzt befestigen wir direkt am Haus", erklärt Schröder. Egal ob Wind, Blütenstaub oder Sturzregen: die Installation muss auf extremere Wetterverhältnisse eingestellt sein. Neben der Untertitelung des Films auf Englisch gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal die Möglichkeit, sich parallel per Smartphone Untertitel auf zehn verschiedenen Sprachen anzeigen zu lassen. Lisa Brüßler

Die 30-minütige Großbildinstallation wird noch bis zum 3. Oktober täglich nach Sonnenuntergang gezeigt. Nach dem ersten Durchlauf wird sie ein zweites Mal wiederholt. Der Besuch ist kostenlos.