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Frauen in Parlamenten : Kein Spiegelbild der Gesellschaft

Die Zahl der weiblichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr

23.07.2018
2023-08-30T12:34:32.7200Z
4 Min

Die Bundestagswahl 2017 stellte die Zäsur einer jahrzehntelangen Entwicklung dar: Die Anzahl weiblicher Abgeordneter stagnierte nicht nur, sondern ging sogar stark zurück. Wirft man einen genaueren Blick unter die Kuppel des Reichstages, zeigt sich, dass unter den 709 Abgeordneten gerade einmal 218 Frauen vertreten sind, das entspricht einem Anteil von 30,9 Prozent - So viele waren es zuletzt 1998.

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Zahl weiblicher Abgeordneter zurückgeht, aber einen so starken Abfall hat es noch nie gegeben. In der vergangenen Legislaturperiode hatte der Anteil noch bei 36,5 Prozent gelegen - das bedeutet ein Minus von über fünf Prozentpunkten. Diese Entwicklung nannte die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Mona Küppers, "beschämend", da das Parlament somit nicht widerspiegele, dass die Gesellschaft im Land zur Hälfte aus Frauen besteht.

Bei einem genaueren Blick in die einzelnen Fraktionen fallen die großen Unterschiede bei der Anzahl der Mandatsträgerinnen ins Auge: Während die CDU/CSU-Fraktion knapp ein Fünftel weibliche Abgeordnete stellt und die FDP-Fraktion 22,5 Prozent, findet sich nur bei der AfD ein noch geringerer Wert: Elf Prozent oder anders ausgedrückt: zehn Frauen. Deutlich mehr Frauen entsendet die SPD mit knapp 42 Prozent, während Frauen bei der Linken und der Grünen-Fraktion mit 54 und 58 Prozent die Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parlamentarier bilden.

Frau Ministerin In den Geschichtsbüchern der Bundesrepublik finden sich insgesamt 33 Ministerinnen auf Bundesebene - vor allem in den "weichen" Ressorts Familie, Gesundheit, Umwelt, Bildung oder Ernährung und Verbraucherschutz. Ausnahmen bilden Ursula von der Leyen (CDU), die seit 2013 Verteidigungsministerin ist und Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP), die von 1991 bis 1994 das Ministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau innehatte. Die ehemalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die das Ministerium von 1998 bis 2009 führte, und die amtierende Justizministerin Katarina Barley (SPD) bilden weitere Ausnahmen von diesen Ressorts. Das Kabinett Merkel IV, dem Barley angehört, ist mit sieben von 16 Posten das Kabinett mit den meisten Frauen in der Geschichte der Bundesrepublik. Für eine paritätische Besetzung der Posten reichte es allerdings noch nicht.

Geht es um die Vorbildfunktion, darf eine nicht fehlen: Rita Süssmuth (CDU). Sie war zwar weder die erste weibliche Bundesfamilienministerin (das war Aenne Brauksiepe, CDU) noch die erste Bundestagspräsidentin (das war Annemarie Renger, SPD), doch Süssmuth ist in beiden Ämtern in Erinnerung geblieben. Bereits Mitte der 1980er Jahre ermutigte sie Frauen, sich mehr in das berufliche und öffentliche Leben einzubringen. Zehn Jahre, von 1988 bis 1998, amtierte sie als Bundestagspräsidentin. In der Historie des Bundestages ist das die drittlängste Amtszeit. Nur Eugen Gerstenmaier und Norbert Lammert (beide CDU) hatten das Amt länger inne.

Noch keine Bundespräsidentin Ein Blick in die Kandidatenliste für das Amt des Bundespräsidenten zeigt, dass es zwar bereits acht Frauen gab, die sich um das höchste Amt im Staat beworben haben, aber keine, die erfolgreich gewählt wurde. Besonders knapp war die Entscheidung im Jahr 2004. Da unterlag Gesine Schwan (SPD) dem CDU-Kandidaten Horst Köhler mit nur 15 Stimmen Unterschied. Bei dem wiederholten Duell im Jahr 2009 entfielen auf Köhler 613 Stimmen, während Schwan nur 503 erhielt. Ein respektables Ergebnis konnte fünf Jahre zuvor auch Dagmar Schipanski erzielen, die dem späteren Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD) mit 572 Stimmen zu 690 Stimmen unterlag.

In den Ländern Auch in den Landtagen und den Parlamenten der Stadtstaaten setzte ab Mitte der 1980er Jahre eine Trendwende ein und der Anteil der Frauen überstieg erstmals die Zehn-Prozent-Marke. Rund um die Wiedervereinigung stieg er weiter an auf 20 Prozent. Ab 2004 pendelte sich der Wert um die 30 Prozent ein - jedoch nicht in allen Bundesländern.

Infolge unterschiedlicher politisch-parlamentarischer Traditionen gibt es vor allem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Nachholbedarf. Aber auch in Ländern, in denen die AfD überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, zeigt sich diese Schieflage besonders: In Sachsen-Anhalt ist von 22 gewählten AfD-Abgeordneten nur eine weiblich, die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern ist ausnahmslos männlich.

Als erste Frau in der Geschichte war Heide Simonis (SPD) mit der Führung eines Landes betraut: Als Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein führte sie zwischen 1993 und 2004 die Geschäftes des Landes. In Thüringen erlangte 2009 Christine Lieberknecht (CDU) den Posten der Ministerpräsidentin, bevor Hannelore Kraft (SPD) als dritte weibliche Ministerpräsidentin von 2010 bis 2017 die Geschicke Nordrhein-Westfalens lenkte. Auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz folgten mit Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Malu Dreyer (SPD) erstmals Frauen in das Ministerpräsidentenamt dieser Länder. Im Juli 2017 schrieb Manuela Schwesig als derzeit jüngste Ministerpräsidentin Deutschlands und erste Frau an der Spitze Mecklenburg-Vorpommerns Geschichte.

Vorbildcharakter Auf europäischer Ebene stellt das Europäische Parlament (EP) einen Lichtblick dar: Mit einem Anteil von 36,1 Prozent weiblicher Abgeordneter liegt der Frauenanteil deutlich höher als im weltweiten Durchschnitt. Finnland, Irland und Kroatien entsenden mehr weibliche als männliche Abgeordnete und Malta, Lettland und Schweden stellen exakt gleich viele Abgeordnete beider Geschlechter. Mit Ausnahme von Belgien, Bulgarien, Zypern, Dänemark, Litauen, Polen und Portugal ist der Frauenanteil der ins EP entsendeten Abgeordneten größer als der in den nationalen Parlamenten. Ein Grund dafür sind oftmals gesetzliche Quotenregelungen für die Aufstellung der Wahllisten der Parteien. Auch die Zahl der Frauen in Entscheidungspositionen habe sich positiv entwickelt, so ein EP-Bericht: Im Vergleich zur vorhergehenden Wahlperiode sei die Anzahl der weiblichen Vizepräsidenten von drei auf fünf von insgesamt 14 gestiegen. Auch werden die Hälfte der 24 Ausschüsse von Frauen geleitet.