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Aktienhandel : Der Schaden durch Cum-Ex-Geschäfte könnte noch viel höher sein

Die blitzartigen Transfers sollen auch in anderen Ländern stattgefunden haben. Opposition: Regierung hat zu spät gewarnt

12.11.2018
2023-08-30T12:34:38.7200Z
2 Min

Aktien, die schon mal zwei Besitzer gleichzeitig hatten. Wertpapiere, mit denen ein derart pfeilschneller internationaler Handel betrieben wurde, dass die Finanzbehörden die Übersicht verlieren sollten. Mit Steuerrückerstattungen wurden offenbar Milliarden ergaunert: Cum-Ex-Geschäfte lautet der Reizbegriff. Nachzulesen ist das im 811 Seiten dicken Abschlussbericht des entsprechenden Untersuchungsausschusses aus der vergangenen Legislaturperiode. Warum das Thema in der letzten Woche erneut im Bundestag debattiert wurde, konnten denn auch nicht alle Redner nachvollziehen. Doch neu waren jedenfalls jüngste Mutmaßungen über die Schadenshöhe.

Die Linksfraktion hatte mit einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde die Thematik wieder auf die Tagesordnung des Plenums gebracht. Der Abgeordnete Fabio de Masi sprach von einem "Krimi über die Finanzmafia und das Versagen deutscher Finanzminister". Europaweit seien "bis zu 55 Milliarden Euro ergaunert worden". Deutschland sei womöglich ein Schaden von 31,8 Milliarden entstanden. Mit dieser Summe könne jeder Schule bis zu einer Million Euro zur Verfügung gestellt werden. Seine Forderung: Mehr Personal bei den deutschen Finanzbehörden und ein "europäisches Finanz-FBI" gegen Steuertricksereien.

Fritz Güntzler (CDU) meinte, die Debatte kreise um "nichts Neues". Er nannte es "mutig, wie hier mit Zahlen umgegangen wird". Einen Nachweis für die aktuell genannten sehr hohen Summen gebe es nicht. Er kenne die richtigen Zahlen auch nicht, meinte Güntzler. Bekannt seien für Deutschand 84 Verdachtsfälle mit einem Schaden von 5,7 Milliarden Euro, wovon 2,4 Milliarden wieder eingefordert worden seien. Er war überzeugt: "Die Finanzverwaltung tut alles, wenn es was zu tun gibt."

Stefan Keuter(AfD) meinte, Schuld an der "Ausplünderung der deutschen Steuerzahler seit 2002" sei nicht nur der Betrüger, sondern "auch derjenige, der den Betrug zulässt", also die Bundesregierung und besonders der Finanzminister. Der "eigentliche Skandal" ist nach Keuters Ansicht, dass dies zehn Jahre gedauert habe.

Lothar Binding (SPD) verwies auf dauernde Klagen über zu viel Regulierung und Überbürokratisierung. Dabei gebe es "an einigen Stellen viel zu wenig". Es sei "scheinbar alles erlaubt, was nicht verboten ist", meinte er mit Blick auf die Cum-Ex-Thematik - und nannte dies moralisch verwerflich. Binding wandte sich gegen eine "Dauerskandalisierung". Seit 2012 seien die Fälle "in Deutschand ausgemerzt". Wer etwas anderes behaupte, solle "Ross und Reiter nennen".

Zu spät gewarnt? Markus Herbrand (FDP) lenkte den Blick auf durchaus Neues - nämlich dass durch Cum-Ex "ein weitaus höherer Schaden als bisher bekannt" entstanden sein könnte. "Die ehrlichen Steuerzahler wähnen sich im falschen Märchen", befand er. Das führe auch zu einem Vertrauensverlust in die Politik. Dass die Regierung andere EU-Staaten zu spät gewarnt haben könnte, sei ein "ernst zu nehmender Vorwurf". Gerhard Schick (Grüne) hob auf die Razzia beim Vermögensverwalter Blackrock ab, dessen Aufsichtsratschef in Deutschland der CDU-Vorsitzendenkandidat Friedrich Merz ist. Merz hätte mögliche Vorkommnisse untersuchen und nicht auf den Staatsanwalt warten sollen.