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SONDERERMITTLUNGEN : Stationäre Gewitterwolke über dem Weißen Haus

Die Frage, ob und inwieweit Russland Einfluss auf die US-Präsidentschaftswwahl 2016 genommen hat, bringt Donald Trump mehr und mehr in Bedrängnis

22.01.2018
2023-08-30T12:33:47.7200Z
4 Min

Eine der folgenschwersten Entscheidungen im ersten Amtsjahr Donald Trumps datiert auf den 9. Mai 2017. Der Tag, an dem der Präsident den Chef der Bundespolizei FBI, James Comey, feuerte. Trumps Begründung lautete sinngemäß: Der erste Polizist des Staates habe sich geweigert, die aus Trumps Sicht überflüssigen Ermittlungen in der Frage aufzugeben, ob Russland in illegaler Abstimmung mit Team Trump die Präsidentschaftswahl 2016 zu Gunsten Trumps beeinflussen, die damalige demokratische Konkurrentin Hillary Clinton beschädigen und den amerikanischen Demokratie-Prozess insgesamt sabotieren wollte. Fast neun Monate später hat sich der Rauswurf Comeys für das Weiße Haus als kontraproduktiv erwiesen. Die Russland-Affäre hängt wie eine stationäre Gewitterwolke über Trumps Präsidentschaft und belastet das politische Tagesgeschäft. Weil sich Justizminister Jeff Sessions zum Leidwesen Trumps früh für befangen erklärte, kam die Nummer Zwei im "Departement of Justice" ans Ruder: Rod Rosenstein berief schließlich den früheren FBI-Chef Robert Mueller, der unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama mit hoher Anerkennung gedient hatte, einen Sonderermittler mit unbegrenzten Befugnissen.

Kronzeuge Gemeinsam mit einem Expertenteam hat Mueller bereits hochkarätige Anklagen gegen Personen aus dem engeren Umfeld Trumps erhoben: Michael Flynn, Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater, bekannte sich schuldig, das FBI über Gespräche mit dem damaligen russischen US-Botschafter Sergej Kisljak belogen zu haben. Um das ihn erwartende Strafmaß zu reduzieren, stellte sich Flynn als Kronzeuge zur Verfügung. Was er ausgesagt hat, ist bisher öffentlich unbekannt. Ebenfalls geständig und kooperativ zeigte sich der ehemalige Wahlkampfberater George Papadopoulos. Er hatte sich mit einem Informanten getroffen, der vorgab, massenweise belastende E-Mails aus russischen Quellen gegen Hillary Clinton beschaffen zu können. Papadopoulos will darüber das enge Team um Trump informiert haben. Angeklagt, aber weder geständig noch hilfsbereit sind Paul Manafort, bis Sommer 2016 Trumps Wahlkampf-Chef, und dessen Mitarbeiter Rick Gates. Beide hatten vor der Ära Trump in der Ukraine für prorussische Regierungsstellen gearbeitetet. Ihnen drohen hohe Gefängnisstrafen, unter anderem wegen Verschwörung zur Geldwäsche. Via Anwälte ging Trump gegenüber allen vier Vertretern auf Distanz und betonte gebetsmühlenartig, dass er selbst weder im Visier der Ermittler stehe noch mit Russland kollaboriert habe oder davon wisse, dass enge Mitarbeiter dies getan haben. Der Präsident bezichtigte im Gegenzug die Demokraten, sie hätten mit Kreml-nahen Stellen unter einer Decke gesteckt. In seine Kritik bezieht Trump Spitzenvertreter des FBI ein. Er wirft ihnen Sabotage im Stile des "deep state" vor.

Seine Marschroute im Umgang mit Mueller hat Trump mehrfach geändert. Erst wollte er dem Sonderermittler ungefiltert Rede und Antwort stehen. Dann bezeichnete er ein Treffen als überflüssig. Begründung: Es sei zweifelsfrei erwiesen, dass es keine "Kollusion" mit Russland gegeben habe. Trumps Anwälte haben die Sorge, dass sich Trump im Gespräch mit Mueller des Meineids schuldig machen könnte. Denn es verdichten sich die Anzeichen, dass Mueller der Frage nachgeht, ob Trump in der Causa Russland in strafbarem Umfang die Justiz behindert hat. Das könnte die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens im Kongress zur Folge haben. Spätestens dann, wenn die Demokraten den Republikaner bei den Zwischenwahlen im November im Kongress in einer oder beiden Kammern die Mehrheit abnehmen. Comeys Entlassung spielt dabei eine wichtige Rolle. Nach Angaben des früheren FBI-Chefs sei er von Trump unmissverständlich aufgefordert worden, die Ermittlungen gegen Michael Flynn ruhen zu lassen - was Comey ablehnte. Konsequenz: Rauswurf.

Zweiter Sündenfall: Trumps ältester Sohn, Donald Jr., und Schwiegersohn Jared Kushner hatten sich im Sommer 2016 in Trumps Büroturm in New York mit einer Kreml-nahen russischen Anwältin getroffen, die ihnen "schmutziges" Material über Hillary Clinton in Aussicht gestellt haben soll. Trumps ehemaliger Chef-Stratege Stephen Bannon, der in diesen Tagen in Kongress-Ausschüssen die Aussage verweigerte, wird demnächst dazu von Mueller intensiv befragt. In einem kürzlich erschienenen Enthüllungsbuch des Autors Michael Wolff bezeichnete Bannon das Gebaren von Trump Junior und Co als "verräterisch und unpatriotisch". Ein Vorwurf, der an Gewicht gewinnt, weil der Präsident die Presseerklärung diktierte, als die Geschichte aufflog. Inhalt: In dem Gespräch mit der Juristin Natalia Veselnitskaya sei es allein um das Thema Adoptionen russischer Kinder durch amerikanische Eltern gegangen. Aus Sicht von Rechtsexperten der "Versuch der Irreführung der Behörden". Sonderermittler Mueller will Trump dazu demnächst persönlich zu einem Gespräch bitten. Eine Einwilligung steht noch aus.

In Washington geht die Spekulation um, dass Trump die Nerven verlieren und die Entlassung Muellers anordnen könnte, um sich einem Verhör zu entziehen. Wäre im Sommer 2017 auch für viele republikanische Kongressabgeordnete damit eine rote Linie überschritten und Trump nicht mehr zu halten gewesen, so gehen heute etliche Konservative bei den Russland-Untersuchungen von einer "Hexenjagd" gegen den Präsidenten aus.