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AUSWÄRTIGES : Eine Frage der Verbindlichkeit

Debatte über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato

22.01.2018
2023-08-30T12:33:48.7200Z
4 Min

Es war eines großen Streitthemen im Bundestagswahlkampf 2017 und dürfte weiter strittig bleiben: Die Nato hat 2014 und 2016 beschlossen, dass die Mitgliedstaaten bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben sollen. In Deutschland liegen diese Ausgaben derzeit bei rund 1,2 Prozent.

Wie bindend und wie sinnvoll dieser Nato-Beschluss ist und inwieweit er nur mehr Geld für Militärisches einfordert oder auch andere friedenssichernde Ausgaben beinhalten könnte - darüber debattierten die Fraktionen am vergangenen Freitag im Bundestagsplenum. Anlass war ein Antrag der Fraktion Die Linke (19/445), die sich gegen das Nato-Ziel wendet und die Bundesregierung auffordert ihre Zustimmung "öffentlich, und im Nato-Rat gegenüber den Nato-Partnern, zurückzuziehen". Auch der Bundestag solle deutlich machen, dass er diese auf den Nato-Gipfeln in Wales und Warschau 2014 und 2016 beschlossenen Pläne ablehne. Das Argument der Abgeordneten: Nach Schätzungen würde sich die Selbstverpflichtung ergeben, pro Jahr bis zu zwischen 70 und 80 Milliarden Euro für militärische Zwecke auszugeben. Dies würde nahezu zu einer Verdopplung der Militärausgaben der Bundesrepublik bis 2024 führen. "Die deutschen Militärausgaben wären dann die höchsten auf dem europäischen Kontinent", heißt es im Antrag, der im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse überwiesen wurde.

Tobias Pflüger (Die Linke) sagte, dass es endlich an der Zeit sei, einmal klar Nein zu sagen zu einer Nato-Vereinbarung, "die de facto eine Aufrüstungsvereinbarung ist". Man sollte nicht noch mehr Geld für Rüstung ausgeben. Pflüger erinnerte daran, dass auch die schwarz-rote Bundesregierung diesen Nato-Beschluss mitgetragen habe. Er kritisierte dabei insbesondere die Sozialdemokraten: Die CDU bekenne sich wenigstens offen dazu, eine "Aufrüstungspartei" zu sein, die SPD mache hingegen Wahlkampf mit Abrüstungsrhetorik, um später wieder eine Aufrüstung mitzutragen.

Henning Otte (CDU) warf der Linksfraktion vor, einem deutschen Alleingang "raus aus der Gemeinschaft" das Wort zu reden. Er zitierte den Philosophen Georg Picht "Wer Verantwortung in der Welt bejaht, darf sich der Last, die sich daraus ergibt, nicht entziehen." Die sicherheitspolitische Lage habe sich grundlegend verändert - etwa mit dem aggressiven Vorgehen Russlands auf der Krim, den "Sapad"-Manöver an der russischen Westgrenze, das die Balten beunruhige. Es gehe darum, in die Sicherheit Deutschlands und seiner Bündnispartner zu investieren, in Fahrzeuge, Cybertechnik, in die Modernisierung, die Weiterentwicklung militärischer Fähigkeiten und nicht zuletzt für das Personal der Bundeswehr.

Thomas Hitschler (SPD) rechnete vor, dass das Hinarbeiten auf ein "starres" Zwei-Prozent-Ziel Jahr für Jahr ein Plus von 20 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt bedeuten würde. Wer das wolle, müsse dann aber auch sagen, wie das gegenfinanziert werden soll. "Durch Steuererhöhungen? Oder durch Kürzungen bei den Sozialausgaben?" Hinzu käme, dass Deutschland dann zur größten Militärmacht der EU aufsteigen würde. Eine solche Dominanz im europäischen Gefüge sei aber nicht erstrebenswert. "Mehr Europa wäre auch hier die richtige Antwort", sagte Hitschler und warb dafür, die anvisierte Europäische Verteidigungsunion (Pesco) mit "Leben zu füllen" - zum Beispiel durch gemeinsame Koordinierung im Beschaffungswesen.

Rüdiger Lucassen (AfD) kritisierte, dass die Bundesregierung den Ruf der Bundesrepublik für ihre außenpolitische Verlässlichkeit verspiele. Wenn Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Nato-Vereinbarung von Wales "irre" nenne, stelle sich die Frage, warum seine Regierung damals so etwas "Irres" unterzeichnet habe. Die Bundeswehr sei unterfinanziert und könne ihrem Auftrag nicht mehr nachkommen. Beschaffungsvorhaben kämen regelmäßig zu spät, sprengten stets den Kostenrahmen, erfüllten die Anforderungen der Truppe nur zum Teil. "Die Bundeswehr ist dabei, den Anschluss zu verlieren", sagte Lucassen. Und die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) proklamierte "Trendwende" beim Personal finde nur in Interviews statt. "Die Abschaffung der Wehrpflicht ist ein kapitaler Fehler der CDU gewesen."

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) machte sich für eine Erhöhung des Verteidigungsetats stark: "Angesichts der Krisen auch vor unserer Haustür, des Gebarens des russischen Staatspräsidenten und der Entwicklungen in der Türkei sollten wir nicht naiv sein." Hinzu komme, dass die USA nicht mehr bereit seien, "für alles und jeden" die Verantwortung zu übernehmen. "Es wäre verantwortungslos vorzugeben, dass wir für ein Leben in Frieden und Freiheit nichts tun oder nicht mehr tun müssten". Die Freidemokratin plädierte aber für einen "umfassenden Sicherheitsbegriff", der neben Vereidigung auch Krisenprävention und Entwicklungspolitik beinhalten sollte. Strack-Zimmermann machte den Vorschlag, drei Prozent des BIP für diese Politikfelder zusammen aufzuwenden.

Tobias Lindner (Grüne) erinnerte daran, dass das Nato-Ziel in der Auslegung des Auswärtigen Amtes eine "zweckgebundene Richtungsentscheidung" sei, jedoch keine feste Verpflichtung für Geldausgaben zu einem bestimmten Zeitpunkt. "Packen Sie ihren Pappkameraden mit den zwei Prozent ein", sagte Lindner in Richtung Unionsfraktion. Die Probleme bei der Beschaffung bei der Bundeswehr - "zu spät, nicht wie vereinbart, meistens viel zu teuer" - seien anders gelagert. "Mehr Geld löst dieses Problem nicht". Es könne nicht um mehr Geld für die Bundeswehr "um des Geldausgebens willen" gehen, sondern um eine Sicherheitspolitik, die über das Militärische hinausweist und humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet.