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MENSCHENRECHTE : Zweitgrößter Geber

Der Bund hat die Ausgaben für humanitäre Hilfe vervierfacht. Koalition und Opposition drängen auf bessere Vorausschau und Krisenprävention

15.04.2019
2023-08-30T12:36:20.7200Z
3 Min

Deutschland ist zum zweitgrößten bilateralen Geber humanitärer Hilfe aufgestiegen und hat seine Mittel zwischen 2014 und 2017 vervierfacht. Der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), blieb angesichts dieser Zahl in der vergangenen Woche im Bundestag allerdings "ein bisschen die Freude im Hals stecken"; weil in ihr eben auch zum Ausdruck komme, wie stark die Not weltweit gewachsen sei.

Laut Bericht der Bundesregierung über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland in den Jahren 2014 bis 2017 (19/5720), über den das Plenum vergangenen Donnerstag debattierte, sind die Mittel für humanitäre Hilfe von 416 Millionen Euro im Jahre 2014 auf 1,76 Milliarden Euro im Jahr 2017 gestiegen. Regionale Schwerpunkte seien der Nahe Osten und Afrika, wobei die Syrien-Krise sowie die Hungerkrisen in Afrika besonders im Fokus stehen würden. Besondere Aufmerksamkeit würde der humanitären Hilfe in Flucht- und Vertreibungssituationen geschenkt. Daneben blieben humanitäre Katastrophenvorsorge sowie humanitäres Minen- und Kampfmittelräumen wichtige Schwerpunkte des deutschen Engagements.

Vorausschau Kofler warb bei Vorstellung des Berichts im Plenum für mehr "vorausschauende humanitäre Hilfe, um Krisen vielleicht gar nicht erst entstehen zu lassen". Die Bundesregierung habe zudem Hilfen für Länder verstärkt, "die nicht permanent im Fokus der medialen Aufmerksamkeit sind". 20 Prozent der Mittel würden in solche Krisenregionen fließen. "Das ist richtig, und das ist gut so, und das muss verstetigt und ausgebaut werden", sagte Kofler.

Jürgen Braun (AfD) nannte den Bericht ein "Dokument des schlechten Gewissens". Er kritisierte, dass die Bundesregierung ihre Konzeptionslosigkeit mit viel Geld zu verschleiern suche. In den Jahren 2014 und 2015 sei wichtige humanitäre Hilfe aus Deutschland und der EU in Syrien und in den Nachbarstaaten ausgeblieben. "Damals wären es vergleichsweise nur kleinere Millionenbeträge gewesen, nicht viele Milliarden, wie seitdem Jahr für Jahr in Deutschland verschwendet." Humanitäre Hilfe müsse in den Ländern selbst wirken. "Wir können die Probleme Afrikas und der arabischen Welt nicht hier in Deutschland lösen."

Michael Brand (CDU) nannte die Vervierfachung der Mittel "wegen des Anstiegs der Konfliktherde" besorgniserregend, zugleich demonstriere die Bundesrepublik damit konkret ihre Bereitschaft, international Verantwortung zu übernehmen. "Nie gab es mehr Menschen, die Hilfe zum Überleben brauchten. Waren es vor zehn Jahren über 30 Millionen Menschen, so sind es heute mehr als 132 Millionen Menschen", sagte Brand und warb dafür, "von einer rein reaktiven Hilfeleistung nach einer Krise zu einem vorausschauenden Handeln zur Vermeidung von Krisen" zu kommen.

Für verstärkte Krisenprävention trat auch Gyde Jensen (FDP) ein und nahm hier die Bundesregierung in die Pflicht: "Was wir für eine bessere humanitäre Hilfe brauchen, liefert die Große Koalition in ihrem Bericht nicht. Es gibt kein abgestimmtes Konzept, es gibt keine deutlich erkennbare übergeordnete, ressortübergreifende Strategie, und es gibt keine wirkliche Ursachenorientierung zur nachhaltigen Konfliktlösung." In den Mittelpunkt müsse die Forderung nach guter Regierungsführung und die Resilienz multilateraler Institutionen rücken. "Es kann nicht sein, dass wir immer erst aufwendige Geberkonferenzen veranstalten müssen und Organisationen quasi zu Bittstellern bei Staaten machen."

Waffenexporte Zaklin Nastic (Die Linke) sagte, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe sich seit den 2000er-Jahren mehr als verzehnfacht habe, obwohl man die Menschheit eigentlich zweimal ernähren könnte. "Die humanitärste Hilfe - auch bei uns - wäre, die Spekulanten, die mit Not Geschäfte machen, aus der globalen Ernährungswirtschaft zu verjagen und zu vertreiben." Hart ins Gericht ging Nastic mit der Waffenexportpolitik der Bundesregierung, die damit Kriege und Krisen weltweit befeuere. "Sie berufen sich auf die Neutralität der humanitären Hilfe, aber dort, wo es um Konzern- und Nato-Interessen geht, sind Sie nicht neutral."

Margarete Bause (Grüne) begrüßte die finanziellen Anstrengungen bei der humanitären Hilfe. "Mit mehr Geld alleine ist es aber nicht getan." Mehr Geld bedeute auch mehr Verantwortung und Verpflichtung zur Transparenz. "Es braucht eine andere strategische Aufstellung und Klarheit über die Ziele, die man erreichen will." Bause warb für "mehr Beinfreiheit" für die Hilfsorganisationen vor Ort durch Gewährung von mehr zweckungebundenen Mitteln. Zur Glaubwürdigkeit gehöre außerdem, "dass wir nicht noch durch Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete die Konflikte verschärfen".