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Kurz REZENSIERT

30.09.2019
2023-08-30T12:36:28.7200Z
2 Min

Einst hieß es beim Suchmaschinen-Giganten Google "Don't be evil!", inzwischen hat der Mutterkonzern Alphabet normativ aufgesattelt: "Do the right thing!", fordert das Unternehmen nun von seinen Mitarbeitern. Eine Forderung, die sicherlich auch die an der Universität Wien lehrende Sarah Spiekermann unterstützen würde. Allerdings wäre die Wirtschaftsinformatikerin wohl skeptisch, ob es der Internetriese ernst meint. Denn für Spiekermann liegt in der digitalen Welt einiges im Argen: Rendite und Effizienz und nicht das "gute Leben" und das Gemeinwohl stünden im Fokus. Mit ihrem Buch "Digitale Ethik" wagt die 46-Jährige den ganz großen Aufschlag und will ein "Wertesystem für das 21. Jahrhundert" vorlegen, um diesem Denken Einhalt zu gebieten. Fortschritt dürfe eben nicht nur technisch betrachte werden, sondern müsse wertorientiert und menschengerecht sein. Das bedeute, so schreibt die Autorin, "die ökonomisch rationalen Schlechtigkeiten unserer Zeit wegzulassen, während gleichzeitig Tugenden und positive Werte in der Gesellschaft gefördert werden". Dazu analysiert sie Aspekte wie das Fortschrittsdenken und die Freiheit in der digitalen Welt und plädiert für eine an Max Scheler orientierte Werteethik.

Diese theoretische Herleitung gehört zu den weniger überzeugenden Aspekten des Buches. In der Konkretisierung, wenn Spiekermann ihre Expertise in der der IT-Branche ausspielt und sich für "Ethics by Design" stark macht, bietet das Buch aber vieles zum Nachdenken und Praktisches im Umgang mit dem Digitalen. So beispielsweise, wenn sie über Lieferdienste räsoniert und ein mit ihren Studenten erarbeitetes, fiktives Modell präsentiert: Statt auf die kürzesten Routen und maximale Liefermenge zu trimmen, könnte der Dienst Zeit für einen Plausch mit den Kunden lassen und den Verbrauchern gern auch mal gesündere Alternativen zur Salami-Pizza anbieten. Sören Christian Reimer