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Parlamentarisches Profil : Der Chemiker: Karamba Diaby

06.01.2020
2023-08-30T12:38:10.7200Z
3 Min

K aramba Diaby wurde 1961 im Senegal geboren - ein Jahr, nachdem das Land die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich erlangt hatte. "Als ich in die Schule kam, war das gesamte Schulsystem französisch geprägt. Alle Denkmäler im Land erinnerten an Franzosen, viele Straßen und Plätze trugen die Namen französischer Persönlichkeiten", erinnert sich der heute 58-jährige SPD-Abgeordnete, der ganz früh Mutter und Vater verlor, als Waisenkind in der Familie seiner älteren Schwester aufwuchs und als 24-Jähriger zum Studium in die DDR kam.

Für Äußerungen, wie jene des Afrikabeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, die Kolonialzeit habe Afrika geholfen, sich aus archaischen Strukturen zu befreien, hat Diaby absolut kein Verständnis. "Das ist falsch und das Schlechteste, was man afrikanischen Völkern gegenüber sagen kann", findet er. Das erlebte Unrecht in der Kolonialzeit, als Menschen erniedrigt und ausgebeutet wurden, könne man nicht schönreden. Ein gesamter Kontinent sei durch Nookes Aussagen herabgewürdigt worden. "Ich wundere mich, dass die Bundeskanzlerin da nicht reagiert hat", sagt er.

Was den Umgang Deutschlands mit seinem eigenen kolonialen Erbe angeht, so findet es Karamba Diaby richtig, bei Entschädigungsforderungen genau hinzuschauen. Sollte es zu Zahlungen - etwa in Namibia - kommen, dürfe das nicht dazu führen, dass in dem Land neue Konflikte entstehen. "Dann hätten wir nämlich gar nichts bewirkt", sagt er.

Gleichwohl ist festzustellen, dass der Völkermord der deutschen Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an den Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika im öffentlichen Bewusstsein nicht übermäßig präsent ist. Ja, stimmt der SPD-Politiker zu, es gebe in Sachen Erinnerungskultur Defizite. "Äußerungen wie jene von Nooke würde es nicht geben, wenn in Lehrbüchern und in Museen glasklar eine Erinnerungskultur betrieben würde", glaubt er. Die Aufarbeitung der Vergangenheit müsse "auf Augenhöhe" mit den betroffenen Ländern erfolgen. "Es freut mich, dass wir im Koalitionsvertrag verankert haben, dass mehr Geld für die Provenienzforschung zur Verfügung steht, um die Geschichte aufzuarbeiten", sagt Diaby.

Dass es in der Gegenwart Herausforderungen in Afrika gibt, müsse zweifellos angesprochen werden, macht er deutlich. "Da gibt es keine Denkverbote. Aber man muss das mit Respekt tun", fordert er. Die Probleme seien nur lösbar, wenn sie nicht in einer herabwürdigenden Art und Weise angesprochen würden.

Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit etwa mit der Forderung nach einer "Zwei-Kind-Politik" zu verknüpfen, geht aus seiner Sicht überhaupt nicht. Es sei eben kein respektvoller Umgang, wenn man sagt: "Wenn ihr unser Geld wollt, dürft ihr nur zwei Kinder haben". Im Übrigen gebe es die Entwicklungsziele der Uno, die als Standards für die Entwicklungszusammenarbeit akzeptiert seien. Für Rassismus sei da kein Platz.

Für ihn als Ostdeutschen - Diaby kam 1985 in die DDR, studierte ab 1986 in Halle Chemie und promovierte später auf dem Gebiet der Geoökologie - ist im Übrigen eines klar: Rassismus ist kein ostdeutsches Phänomen. Es sei vielmehr ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Menschenverachtende Tendenzen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Auch im Bundestag werden Reden gehalten, die Gruppen herabwürdigen", beklagt er.

Der 58-Jährige ist sehr gern Hallenser. "Ich lebe hier seit 34 Jahren und habe die Stadt nie länger als vier Wochen am Stück verlassen." Besonders stolz ist er auf die "starke, wachsame Zivilgesellschaft" in Halle. Das habe sich nach dem Attentat am 9. Oktober gezeigt, als ein deutliches Zeichen der Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern, aber auch der klaren Ablehnung von Gewalt gesendet worden sei.