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PKW-Maut : Wütende Reaktion

Der Untersuchungsausschuss beleuchtet, wie das Ministerium Druck auf Toll Collect ausübte - sehr zum Missfallen ehemaliger Manager

14.09.2020
2023-08-30T12:38:21.7200Z
4 Min

Die letzten Monate des Jahres 2018 waren für die vierköpfige Geschäftsführung der Toll Collect GmbH eine schwierige Zeit. Sie stand an der Spitze eines Unternehmens im Umbruch: Am 1. September 2018 war die für die Lkw-Maut zuständige Gesellschaft ins Eigentum des Bundes übergegangen - zunächst nur übergangsweise, letztlich aber, wie sich bald abzeichnete, dauerhaft. Gleichzeitig wandte sich der neue Eigentümer mit einem dringenden Anliegen an die Geschäftsführer: Sie sollten doch bitteschön prüfen, welchen Beitrag sie zum Gelingen der Pkw-Maut leisten könnten.

Was Ende 2018 und Anfang 2019 im Spannungsfeld zwischen Toll Collect und Bundesverkehrsministerium genau geschah, hat der 2. Untersuchungsausschuss ("Pkw-Maut") in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause detailliert beleuchtet. Als Zeugen waren drei ehemalige Geschäftsführer von Toll Collect geladen, darunter Robert Woithe, der von 2010 bis August 2019 Geschäftsführer Technik war. Woithe war es, der im November 2018 eine interne E-Mail schrieb, die es in sich hatte. "Mein Helfersyndrom hat sich hiermit erledigt", schrieb er darin. Und weiter: "Leck mich. Okay, etwas netter: Leck mich kreuzweise." Außerdem bezeichnete er eine Mail des Mautreferats des Verkehrsministeriums als "frech und unverfroren".

Was war da geschehen? Die Vorgeschichte schilderten Woithe und sein ehemaliger Co-Geschäftsführer, der für Betrieb und Finanzen zuständige Thomas Eberhardt. Demnach wandte sich das Verkehrsministerium Anfang September, also kurz nach Änderung der Eigentümerstruktur, an die Geschäftsführung von Toll Collect mit der Aufforderung, darzulegen, ob sie Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut übernehmen könne. Nach einer ersten Prüfung kam die Geschäftsführung zum Schluss, es sei unmöglich, dies bis zum gewünschten Termin Mitte 2020 zu schaffen. Als einen Grund dafür nannte der Finanz-Geschäftsführer den Umstand, dass Toll Collect als nunmehr bundeseigenes Unternehmen den Vorgaben des Vergaberechts unterstanden habe.

Doch das Ministerium ließ nicht locker. Im November 2018 kam es zu einer weiteren Anfrage, welche die Chefs von Toll Collect wieder abschlägig beschieden. Eine erneute Mail aus dem Mautreferat führte dann zum Wutausbruch von Geschäftsführer Woithe. "Da sind mir die Kühe durchgegangen", sagte er im Ausschuss. "Irgendwo musste der Druck raus."

Ein attraktives Angebot Auch sein ehemaliger Kollege Eberhardt berichtete von "hektischen Diskussionen" in diesen Wochen. Die Formulierungen Woithes erklärte er damit, dieser sei nun einmal "ein Mann des klaren Wortes". Im Übrigen zeige die Mail, "dass wir uns intensiv mit den Wünschen des Verkehrsministeriums auseinandergesetzt haben". Denn grundsätzlich, erklärten beide Geschäftsführer, wäre es für Toll Collect attraktiv gewesen, sich ein neues Geschäftsfeld zu erschließen; doch in der kurzen Zeit sei es einfach nicht zu schaffen gewesen.

Für den Auftrag des Untersuchungsausschusses wichtig sind die Vorgänge rund um Toll Collect vor allem aus zwei Gründen. Zum einen ist strittig, ob der Einbezug von Toll Collect vergaberechtlich zulässig war. Denn damit wurde dem letzten verbliebenen Bieter für die Pkw-Maut die Möglichkeit eingeräumt, für die Erhebung der Pkw-Maut auf die Zahlstellenterminals von Toll Collect zuzugreifen. Den drei anderen ursprünglichen Bietern war diese Möglichkeit zumindest nach Ansicht der Opposition verwehrt.

Zum andern steht der Vorwurf im Raum, das Verkehrsministerium habe die Toll Collect GmbH instrumentalisiert, um das gefährdete Projekt der Pkw-Maut zu retten. Das Angebot des einzigen verbliebenen Bieters, eines Konsortiums aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim, umfasste nämlich ein Volumen von rund drei Milliarden Euro, womit es deutlich über dem vom Bundestag vorgegebenen Rahmen (rund zwei Milliarden Euro) lag. Der Einbezug der Zahlstellenterminals von Toll Collect sollte maßgeblich dazu beitragen, die Kosten auf das gewünschte Maß zu senken.

Bedenken des Kraftfahrtbundesamtes Beleuchtet wurden in der Sitzung zudem die Bedenken des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gegen den im Mai 2019 geschlossenen Unterauftragnehmervertrag mit Toll Collect. Anfang Juli hatte der frühere KBA-Präsident Ekhard Zinke den Ausschussmitgliedern geschildert, dass er das Verfahren für "vergaberechtlich nicht unbedenklich" gehalten habe. Die Zustimmungsvereinbarung zum Unterauftragnehmervertrag unterschrieb Zinke erst, nachdem ihn Stefan S., der vom Verkehrsministerium in die Geschäftsführung von Toll Collect entsandt worden, aber zu diesem Zeitpunkt wieder im Verkehrsministerium tätig war, dazu angewiesen hatte.

Der Zeuge Stefan S. stellte den Vorgang in der vergangenen Woche nun anders dar: Es sei "ganz üblich", dass nachgeordnete Behörden Bedenken äußerten, um kein Risiko eingehen zu müssen. Das KBA habe viele Themen rund um die Pkw-Maut gar nicht beurteilen können. Im Übrigen hätte sich Zinke mit seinen Bedenken auch an den Staatssekretär oder den Minister wenden können; das habe er aber nicht getan. Und als der Unterauftragnehmervertrag dann tatsächlich unterzeichnet wurde, sei der KBA-Präsident bester Dinge gewesen.