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PKW-Maut II : Warum wurde sofort gekündigt?

Untersuchungsausschuss beleuchtet Rolle der Rechtsberater

12.10.2020
2023-08-30T12:38:24.7200Z
3 Min

In zunehmendem Maße werden die Sitzungen des 2. Untersuchungsausschusses ("Pkw-Maut") zur Konditionsprobe für Abgeordnete und Zeugen. Gegen 13 Uhr am vergangenen Donnerstag begann die Befragung des Rechtsanwalts Dieter Neumann, erst gegen 22.30 Uhr war sie in der öffentlichen Sitzung zu Ende - und da stand dem Zeugen noch eine nichtöffentliche Vernehmung bevor. Die Befragung von Neumann, Partner in der Kanzlei Greenberg Traurig Germany, hatte ihren Grund: Der Topjurist war der wichtigste Rechtsberater des Bundesverkehrsministeriums beim Projekt Pkw-Maut. Seit Oktober 2015 leitete er ein Team, dem 15 bis 20 Rechtsanwälte angehörten. Zum Vergleich: Auf Seiten des Verkehrsministeriums arbeiteten laut Neumann etwa sechs bis acht Personen an der Pkw-Maut.

Eine zentrale Herausforderung für die Berater war die Frage, wie die Mautbetreiber entschädigt werden sollten, falls der Vertrag aus ordnungspolitischen Gründen gekündigt wurde. Als ordnungspolitischer Grund erwies sich im Juni 2019 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die deutsche Pkw-Maut für nicht vereinbar mit EU-Recht erklärte. In einem solchen nicht vom Betreiber zu verantwortenden Fall sollte laut Neumann der Bruttounternehmenswert als Maßstab der Entschädigung dienen. Dieser Begriff der Wirtschaftsprüfer bezeichnet Neumann zufolge das eingesetzte Kapital plus fremde Verbindlichkeiten, ist aber nicht mit dem entgangenen Gewinn gleichzusetzen.

Weniger günstig für die Betreiber waren die vertraglichen Regelungen für den Fall, dass die Kündigung nicht nur aus ordnungspolitischen Gründen erfolgte. Dieser Punkt wurde am 18. Juni 2019, dem Tag des EuGH-Urteils, relevant. In diesen dramatischen Stunden trat im Verkehrsministerium eine hochkarätige Taskforce zusammen, der auch Neumann angehörte. Das Gremium entschied, den Betreibervertrag sofort zu kündigen, wobei es dies nicht nur mit dem EuGH-Urteil, sondern auch mit einer Schlechtleistung der Betreiber begründete. Es habe einen "defizitären Projektstand" gegeben, formulierte es der Zeuge. Konkret sei es darum gegangen, dass die Betreibergesellschaft die Pflicht zur fristgemäßen Vorlage der Feinplanungsdokumentation verletzt habe.

Keine andere Möglichkeit Warum aber wurden die Verträge sofort gekündigt und nicht erst nach einer Bedenkzeit? Er habe keine Möglichkeit gesehen, das Projekt fortzusetzen, antwortete Neumann. Denn eine an ökologischen Kriterien orientierte Umstellung der Maut von einem zeit- auf ein streckenbasiertes Modell sei mit den geschlossenen Verträgen nicht möglich gewesen. Deshalb sei es besser gewesen, sofort zu kündigen.

Auch zur Phase vor Abschluss des Vertrags "Erhebung" am 30. Dezember 2018 wurde der Zeuge detailliert befragt. Bis zur Frist am 17. Oktober 2018 war ein einziges Angebot eingegangen, das zudem weit über dem vorgesehenen Finanzrahmen lag. "Wir waren schwer überrascht, dass ein Angebot in dieser Höhe einging", sagte der Zeuge. Die Verantwortlichen hätten das Angebot dann auf seine Plausibilität geprüft und Gespräche mit dem Bieterkonsortium aufgenommen.

Doch entsprachen diese Verhandlungen dem Vergaberecht? Ja, sagte Neumann. Denn es sei bei diesem Verfahren festgelegt worden, dass das finale Angebot nicht das endgültige Angebot sei. Verhandlungen seien deshalb rechtlich zulässig gewesen, solange die Mindestanforderungen nicht verändert worden seien, erklärte der Rechtsanwalt. Die vorgenommenen Änderungen - etwa die Übernahme der Portokosten durch den Bund und der Einbezug der Zahlstellen von Toll Collect - hätten diese Grenze nicht überschritten. Auch sei es nicht nötig gewesen, die zuvor ausgeschiedenen Bieter über die Änderungen zu informieren. Denn diese hätten kein Angebot abgegeben und seien zu diesem Zeitpunkt deshalb nicht mehr am Verfahren beteiligt gewesen.