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Innovation : GAIA-X soll kein Konkurrenzprodukt werden

Warum digitale Souveränität wichtig ist und was es mit der europäischen Cloud-Initiative "GAIA-X" auf sich hat, beschäftigte den Digitalausschuss

02.11.2020
2023-08-30T12:38:24.7200Z
4 Min

Unabhängig zu werden von US-amerikanischen Riesen wie Amazon, Microsoft und Google - das ist eins der Ziele der offenen und sicheren Dateninfrastruktur zur Vernetzung europäischer Cloud-Dienste, das den Namen GAIA-X trägt. Die Idee: Mithilfe von Open-Source-Schnittstellen sollen Kunden schnell und günstig zwischen Cloud-Anbietern wechseln oder mehrere parallel nutzen können. Anwender sollen entscheiden können, wo ihre Daten gespeichert werden und von wem sowie zu welchem Zweck sie verarbeitet werden dürfen.

Gleichzeitig soll GAIA-X kein europäisches Produkt werden, das in Konkurrenz zu den amerikanischen und chinesischen Digitalriesen tritt - darin waren sich die Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda vergangene Woche schnell einig. Ziel sei ein gemeinsames Ökosystem von Anwendern und Anbietern aus öffentlicher Verwaltung, Gesundheitswesen, Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen.

Datenhoheit Fußen soll das Projekt auf europäischen Werten, sodass sicherer Datenaustausch und Kommunikation möglich sind. "Für uns ist es besonders wichtig, im Zuge unserer Ratspräsidentschaft digitale Souveränität als Leitbild in Europa zu etablieren", sagte Mitte Oktober bereits die Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). Digitale Souveränität bedeute für sie, zu entscheiden, "in welchen Bereichen wir unabhängig sein wollen und wo wir dafür investieren müssen".

Erst Mitte September hatten 22 Organisationen und Konzerne aus Deutschland und Frankreich - darunter etwa BMW, Bosch, SAP und die Telekom sowie aus Frankreich Atos, Orange und Dassault Systèmes - in Brüssel eine gemeinnützige Organisation gegründet, die den Aufbau von GAIA-X koordinieren soll. Gleichzeitig sind Kooperationen mit Digital-Riesen in der Wirtschaft bisher weit verbreitet: Im Sommer erst hatte die Deutsche Bank angekündigt, ihre IT-Architektur mit Google neu auszurichten. Auch bei der Vernetzung von Fabriken spielen US-Anbieter eine entscheidende Rolle: Volkswagen etwa setzte seine "Industrial Cloud" mithilfe von Amazon auf. An die Cloud sollen nach den Werken des Konzerns auch Zulieferer und Partner angeschlossen werden.

Durch den Trend zum Cloud-Computing und den dadurch entstehenden Druck auf Anwender treffe GAIA-X mit dem Fokus auf Unabhängigkeit und Datenschutz einen Nerv, sagte Peter Ganten vom Open Source Business Alliance Bundesverband für digitale Souveränität in der Anhörung. Ziel sei nicht eine "Aufholjagd" zu den großen Playern. Vielmehr müsse ein eigener europäischen Weg gefunden werden, der "Vertrauen, Offenheit, hohen Datenschutzstandards und eine kluge Governance" umfasse.

Wettbewerb nötig Der Jurist Axel Metzger (Humboldt Universität zu Berlin) verwies darauf, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den Fokus der Datenstrategie verschoben habe: Dass es nun mehr um die Förderung von Datennutzung gehe, ohne jedoch den Datenschutz zu gefährden, eröffne Chancen, setze aber Wettbewerb auf den digitalen Märkten voraus. Da sei noch Luft nach oben. Weiter plädierte er dafür, Daten im Vertragsrecht auch als Gegenleistung festzuschreiben. Bei Verbraucherverträgen bestünden etwa Informationsdefizite. "Abhilfe könnten Pflichten zur Bereitstellung vereinfachter Informationen in Form von Grafiken leisten, die Verbrauchern zeigen, wie datenintensiv der Dienst ist", sagte Metzger weiter.

Auch Andreas Weiss vom eco - Verband der Internetwirtschaft sagte, er sei von den Zielen, Chancen und Potenzialen von GAIA-X überzeugt. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass stabile Dienste von großer Bedeutung seien. Der Schlüssel für ein agiles digitales Ökosystem, in dem Daten vertrauensvoll geteilt und innovative Anwendungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden seien leistungsfähige Rechenzentren. Sowohl Deutschland als auch Europa seien von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) geprägt, sodass darauf ein Fokus gelegt werden solle. "GAIA X muss nicht alles neu erfinden, sondern Bestehendes zusammenführen", sagte er.

Definition fehlt Der Sachverständigen Sven Herpig (Stiftung Neue Verantwortung) verwies darauf, dass eine offizielle Definition von Datensouveränität fehle und forderte, an einer breit akzeptierten Definition zu arbeiten. Grundlage für jede Debatte seien die IT- und Cybersicherheit: "Nur weil IT-Produkte in Deutschland oder Europa betrieben werden, sind sie nicht automatisch sicherer", sagte Herpig. Es komme stark auf die Implementierung der IT-Sicherheitsmaßnahmen an.

"Wir wissen um den Wert von Daten", sagte auch Fabian Biegel von SAP und betonte, sein Unternehmen wolle helfen, mit GAIA-X, "den Goldstandard für Datensouveränität" zu setzen. Das Projekt fördere die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieterlandschaft. Für die Marktreife müsse auf Anreize und eine marktnahe Umsetzung gesetzt werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor könne sein, die Nachfrage nach europäischen Cloud-Lösungen auch im öffentlichen Sektor und in regulierten Bereichen zu fördern.

Elisabeth Lindinger (Superrr Lab gGmbH) betonte den finanziellen Wert von Daten: "Dieser vielleicht größte kollektive Schatz landet viel zu häufig in den Händen von Privaten", sagte Lindinger. Es gebe jedoch erfolgreiche Beispiele dafür, dass Daten kollektiver Besitz werden können: "Städte wie Barcelona oder Eindhoven sorgen durch eine öffentliche Daten-Governance dafür, dass Daten, die im öffentlichen Raum oder im Zuge öffentlicher Aufträge erhoben werden, Allgemeingut werden", sagte sie.