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Ortstermin: Werke eines Auschwitz-Überlebenden : Zeugnisse eines Menschheitsverbrechens

Ein Überlebender des Krematoriums III in Auschwitz-Birkenau zeigt erstmals in Deutschland die grausame Realität des Holocaust in brutalen Bildern: David Olère.

03.02.2020
2023-09-22T21:20:46.7200Z
3 Min

"Es sah aus wie ein Fabrikgebäude. Wie in jeder Fabrik gab es einen Schornstein. Ohne den Gestank der verbrannten Körper wäre es unmöglich gewesen, sich vorzustellen, dass drinnen Menschen ermordet wurden." Schilderungen wie diese von Jaacov Gabai, Häftling im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Überlebender, gibt es einige. Visuelle Zeugnisse, Bilder, die die Hölle zeigen, sind jedoch rar. Die vergangene Woche im Berliner Paul-Löbe-Haus eröffnete Ausstellung "David Olère. Überlebender des Krematoriums III" vereint beides: Ergreifende Originaltöne und detailreiche, brutale, verstörende Bilder - erstmals in Deutschland gezeigt.

Olère, 1902 in Warschau geboren, wurde Künstler. Er arbeitete in Paris für Filmstudios wie Paramount Pictures und schuf Filmkulissen, Kostüme und Werbeplakate bis er am 20. Februar 1943 verhaftet und zwei Wochen später nach Auschwitz deportiert wurde. Fortan wurde er zu Häftling Nummer 106144 und dem sogenannten "Sonderkommando" zugeteilt. Seine Aufgabe: Die Leichen der in den Gaskammern Ermordeten im Krematorium III zu verbrennen. Als erster hielt der jüdische Maler nach seiner Befreiung den minutiösen Ablauf, die Phasen der Vernichtung und Szenen aus dem Lager fest. Auch lieferte er detailgenaue Pläne der Krematorien und Gaskammern. Zwischen 1960 und 1980 übertrug er seine Zeichnungen in Ölgemälde. 1985 starb Olère in Paris.

Pianist Igor Levit begleitet Ausstellungseröffnung musikalisch

Olères Werke konfrontierten "fast bis zur Unerträglichkeit" damit, dass das Geschehene für jeden, der es nicht selbst erfahren musste, unvorstellbar bleibe, betonte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Eröffnung. "Die Wahrheit bleibt - und sie bleibt eine Zumutung", sagte er weiter. Er mahnte, dass sich jede Generation dieser Zumutung aufs Neue stellen müsse - besonders in Hinblick auf Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und von Hass erfüllte Gewalt, wie sie etwa beim Anschlag auf die Synagoge in Halle zu Tage getreten war. Dass der Kampf dagegen aktuell sei, zeige sich am Beispiel des Pianisten Igor Levit, der die Eröffnung musikalisch begleitete. Levit war in der Vergangenheit selbst bedroht worden. "Ich habe erst vor wenigen Tagen von der Ausstellung erfahren, aber es war für mich persönlich ein Anliegen, hier zu spielen", sagte Levit. Die eher leisen Stücke von Bach und Busoni habe er "nach innerem Gefühl und Glauben" ausgewählt.

Die Ausstellung zeigt 50 Originalzeichnungen und 25 Ölbilder von Olère. "Die meisten Bilder sind großformatig und schreien den Betrachter förmlich an. Das war die Absicht des Künstlers", berichtet der Ausstellungs-Organisator Jürgen Kaumkötter vom Zentrum für verfolgte Künste. Darauf wies auch Piotr Cywinski, Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau hin: "Die Mitglieder des Sonderkommandos waren in einer der schwierigsten Situationen. Sie haben unüberwindbare Dinge tun müssen", sagte er. Der Bundestag richtet die Ausstellung gemeinsam mit den beiden Institutionen aus. Sie geht zurück auf eine Initiative der Fraktion Die Linke und der französischen Antifaschisten Beate und Serge Klarsfeld, die gut mit der Familie Olère bekannt sind.
 

Die Ausstellung kann noch bis zum 21. Februar 2020 besichtigt werden. Mehr zu den Anmeldeformalien.