Piwik Webtracking Image

MenschenrechtE I : Eine Frage der Verantwortung

Widerstand gegen das von SPD, Grünen und Linken geforderte Lieferkettengesetz

17.02.2020
2023-08-30T12:38:13.7200Z
3 Min

Bis zum Sommer wollten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ein Lieferkettengesetz, das im Ausland tätige Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte, von internationalen Arbeitsnormen und Umweltstandards verpflichten soll, auf den Weg bringen. Doch unter dem Druck von Wirtschaftsverbänden wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gerät der Prozess ins Stocken. Stein des Anstoßes ist die freiwillige Befragung von Unternehmen durch die Bundesregierung, die bis Juni abgeschlossen sein soll. Wenn dann deutlich wird, dass weniger als 50 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihren Sorgfaltspflichten gemäß den 2011 veröffentlichen Leitprinzipien der Vereinten Nationen nachkommen, soll es laut Koalitionsvertrag eine gesetzliche Regelung geben. Diesen Zeitplan torpedieren die Verbände nun. Sie fordern, dass die Bundesregierung sich mit ihren Umfragen bis zum Jahresende Zeit lässt.

"Die Wirtschaftsverbände üben enormen Druck auf Kanzleramt und Wirtschaftsministerium aus", bemängelte Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) vergangenen Donnerstag in der Debatte über zwei Anträge (19/16883, 19/16061) seiner Fraktion, in der die Abgeordneten auf die zügige Vorlage eines Lieferkettengesetzes drängen. Außerdem wollen sie, dass Prüfunternehmen künftig für fehlerhafte Prüfberichte haften müssen.

Kekeritz verwies darauf, dass viele deutsche Unternehmen bereits freiwillig hohe soziale und ökologische Standards einhielten und daher an "fairen Verhältnissen" interessiert seien. "Sie haben es schlicht satt, dass andere Unternehmen Standards unterlaufen und so Kostenvorteile bei der Produktion erzielen."

Auch Frank Schwabe (SPD) stellte klar, es brauche "eine Verpflichtung, ein Level Playing Field für alle deutschen Unternehmen". Leider habe die Überprüfung in der ersten Runde gezeigt, "dass die Zahlen ein schwaches Bild abgeben, was die Verantwortung deutscher Unternehmen angeht".

Dass sich dies auch nach der zweiten Befragungsrunde nicht ändern wird, davon zeigte sich Eva-Maria Schreiber (Die Linke) überzeugt. Sie forderte die Regierung auf, schon jetzt die Eckpunkte für ein Gesetz festzulegen und darüber zu diskutieren. "Die Regeln müssen sanktionsbewehrt sein. Sonst hält sich doch wieder niemand dran", stellte sie klar. Außerdem müssten Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor deutschen Gerichten klagen können.

Für die Unionsfraktion betonte Stefan Rouenhoff (CDU), auch sie habe "den klaren Wunsch, die Menschenrechtslage und die Umweltsituation in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu verbessern". Aber ein Lieferkettengesetz, wie es sich Grüne und Linke vorstellten, würde das Gegenteil" bewirken. "Es wird unseren deutschen Mittelstand verunsichern, in diesen Ländern zu investieren", warnte er. Die Union setze zuallererst auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Außerdem sei es "originäre Aufgabe" der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik, den Einfluss auf Regierungen in den betroffenen Ländern "im Interesse von Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards" zu vergrößern.

Falsche Adressaten Ähnlich argumentiere Markus Frohnmaier (AfD). "Das grüne Lieferkettengesetz führt zu einer massiven Verschiebung der Verantwortung: weg von den Staaten und den Regierungen hin zu deutschen - ausschließlich deutschen - Unternehmen", bemängelte er. Die würde damit Bundesregierung "die vielfach unfähigen und korrupten Regierungen der Entwicklungsländer von der eigenen Verantwortung entbinden".

Christoph Hoffmann (FDP) warnte ebenfalls vor einem "dramatischen Rückgang" der Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen durch ein "bürokratisches Lieferkettengesetz". Für zielführender hielt er die Unterstützung von guter Regierungsführung in den betroffenen Staaten und den Aufbau von Gewerkschaften und Genossenschaften "auch mit Entwicklungszusammenarbeit". Außerdem schlug Hoffmann eine "Blame-and-Shame-Liste" der EU von Staaten und Unternehmen vor, die gegen Menschenrechte verstoßen haben.

Die Grünen-Anträge wurden nach der Debatte zur weiteren Beratung an den Wirtschafts- beziehungsweise Menschenrechtsausschuss überwiesen.