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Afghanistan-Ausschuss : Evakuierung der Botschaft lief laut Zeugin planmäßig ab

Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes haben im Untersuchungsausschuss über die letzten Tage in der Kabuler Botschaft ausgesagt - und von großen Unsicherheiten berichtet.

19.01.2024
2024-02-26T16:18:33.3600Z
3 Min

"Es war ein Weg ins Ungewisse." Mit diesen Worten beschrieb am Donnerstag eine Zeugin im Afghanistan-Untersuchungsausschuss ihren Einsatz in Kabul. Die junge Referentin des Auswärtigen Amtes war erst im Juni 2021, sechs Wochen vor dem Einmarsch der Taliban in die afghanische Hauptstadt, nach Afghanistan gekommen, um dort in der deutschen Botschaft zu arbeiten. In diesen Wochen habe die Unsicherheit massiv zugenommen, berichtete sie den Abgeordneten.

Diesen Eindruck bestätigte auch ihr Kollege, ein 38-jähriger Beamter und späteres Mitglied des Krisenunterstützungsteams (KUT). Sie hätten sich immer mehr Sorgen um die Lage vor Ort gemacht. Wenige Tage vor seiner Ausreise am 12. August seien mehrere Provinzhauptstädte gefallen. In Kabul sei die Frage aufgekommen, wie lange die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage sein würden, die Stadt zu verteidigen.

Befürchtungen vor falschen Signalen

Evakuierung von Schutzsuchenden auf dem Flughafen in Kabul.   Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

In dieser Zeit hätten sie die Lage regelmäßig an die Zentrale in Berlin übermittelt, betonten beide Beamte. Sie hätten begonnen, Listen von schutzbedürftigen afghanischen Menschenrechtlern, Journalisten oder Frauen in exponierter Stelle zusammenzustellen. In Gesprächen mit dem Referat in Berlin sei über verschiedene Optionen gesprochen worden, wie diese Menschen ausgeflogen werden könnten - unter anderem auch über Charterflüge und der Erteilung von Visa bei Einreise nach Deutschland ("Visa-On-Arrival"). Doch es habe immer das Argument im Raum gestanden, die Maßnahmen könnten der afghanischen Bevölkerung ein falsches Signal geben und eine Massenflucht auslösen. Außerdem habe die Gefahr bestanden, dass dadurch die Widerstandskraft der afghanischen Sicherheitskräfte geschwächt worden wäre. Der Referent berichtete aber auch, dass die USA und Großbritannien ihre Ortskräfte bereits zu diesem Zeitpunkt in großen Zahlen ausgeflogen hatten - und die afghanische Seite dies nicht besonders kritisiert habe.

Innerhalb von 48 Stunden sensible Unterlagen vernichtet

Den Aussagen beider Zeugen zufolge wurde auch die Schließung und Evakuierung der Deutschen Botschaft in Kabul immer mehr zu einer realen Option. Als der Sicherheitsbeauftragte der benachbarten britischen Botschaft seine deutschen Kollegen über die Evakuierung der eigenen Botschaft informiert habe, sei es ernst geworden. Denn der Checkpoint der Briten habe auch den Zugang zur deutschen Botschaft kontrolliert, erklärte die Zeugin.

Sie betonte, die Evakuierung sei planmäßig abgelaufen und sie habe sich immer sicher gefühlt. "Was wir in den letzten Tagen gemacht haben, haben wir im Rahmen einer Richtlinie gemacht", sagte sie. So hätten sie innerhalb von 48 Stunden sensible Unterlagen vernichtet. Am 15. August hätten sie gegen 13:30 Uhr die Botschaft verlassen und seien zu der nahegelegenen US-Botschaft gefahren. Die Amerikaner hätten sie dann mit Hubschraubern zum militärischen Teil des Kabuler Flughafens gebracht. Vier Entsandte seien dortgeblieben, um die Evakuierung anderer Menschen zu koordinieren. Wegen Schüssen im Flughafen habe sich der Abflug des Personals zwar etwas verzögert, aber schließlich seien sie um 23 Uhr mit einer US-Maschine nach Doha ausgeflogen worden.


„Was wir in den letzten Tagen in Kabul gemacht haben, haben wir im Rahmen einer Richtlinie gemacht.“
Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft in Kabul

Ihr Kollege ist hingegen nach eigener Aussage am 20. August mit dem Krisenunterstützungsteam zurückgeflogen, um im Kabuler Flughafen die Evakuierung deutscher Staatsbürger und gefährdeter Afghanen zu unterstützen. Dort habe es keine geordnete Prüfung an den Gates gegeben. Deshalb habe das KUT ohne Listenabgleich, dafür aber mit Hilfe von Kriterien bei der Prüfung der Unterlagen gearbeitet. Wenn jemand auf einer Liste gestanden habe, sei die Entscheidung über eine Ausreise einfacher gewesen.

"Bundeswehr muss geografisch vor Ort sein"

Die Amerikaner, die das Flugfeld kontrolliert hätten, hätten großen Wert daraufgelegt, dass die Flugzeuge nur ganz kurz auf dem Flugfeld stehen durften. Daher sei die erste Bundeswehrmaschine nur mit einer Handvoll Menschen am Bord abgeflogen. "Zu diesem Zeitpunkt waren ganz wenige Personen im Flughafen", sagte der Zeuge. Da man nicht vorher wissen könne, wann eine Evakuierung stattfinde, müsse die Bundeswehr geografisch in der Nähe sein, um nicht Stunden später einzutreffen, befand er.

Nach den beiden Zeugen hat der Ausschuss in einer nicht-öffentlichen Sitzung auch den damaligen Stellvertreter der BND-Residentin in der deutschen Botschaft in Kabul befragt.