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Bundestagsabgeordneter Karamba Diaby im Interview : "Afrika ist ein Kontinent der Chancen"

Die afrikanischen Länder werden ihre Zukunft selbstbewusst gestalten, sagt der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby im Interview.

21.12.2023
2024-02-26T15:56:23.3600Z
3 Min

#1

Herr Diaby, Afrika ist für seine natürlichen Ressourcen bekannt, aber auch für Armut und die verbreitete Ausbeutung von Menschen. Wie sehen Sie die Entwicklung des Kontinents aktuell?

Karamba Diaby: Wir müssen erst einmal feststellen, dass wir über 54 verschiedene Länder reden, die sehr unterschiedlich sind. Südafrika oder Nigeria sind nicht mit Guinea-Bissau, Mali oder Niger zu vergleichen. Die Staaten entwickeln sich unterschiedlich. Früher hat man versucht, alle afrikanischen Länder über einen Kamm zu scheren. Das hat sich geändert. Wir sollten genau differenzieren, welche Potenziale jedes Land hat. Im Hinblick auf Energiekooperationen beispielsweise schauen wir nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien. Das ist eine neue Wahrnehmung Afrikas, das ist die Zukunft.

Foto: Niklas Gerlach

Karamba Diaby wurde 1961 in Marsassoum, Senegal, geboren und ist Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Auswärtigen Ausschuss.

#2

Welches sind aus Ihrer Sicht die dominierenden Probleme in Afrika?

Karamba Diaby: Das größte Problem ist die Instabilität mancher Länder, die eine nachhaltige Entwicklung behindert. Doch das gilt längst nicht für alle Länder. Schauen wir zum Beispiel auf Südafrika oder Senegal, Marokko, Ghana oder die Elfenbeinküste. Militärputsche oder kriegerische Auseinandersetzungen in manchen Regionen verhindern aber immer wieder eine stabile Entwicklung.

Was die Bevölkerungsentwicklung angeht, kann man geteilter Meinung sein. In meiner Heimat Senegal sind 50 Prozent der Menschen unter 20 Jahre. Die "Afropessimisten", wie ich sie nenne, kritisieren diese Entwicklung. Ich sehe dies positiv und gebe zu bedenken, dass wir in Mitteleuropa große Probleme mit einer alternden Bevölkerung haben und zu wenige junge Fachkräfte. Die Medaille hat also zwei Seiten. Allerdings müssen geeignete Bedingungen in den afrikanischen Ländern geschaffen werden, damit die jüngere Bevölkerung ihre Potenziale auch nutzen kann: Bildung, Arbeit, Teilhabe. Wenn die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen nicht stimmen, kann das ein Pulverfass sein.

#3

Beruht der Wohlstand in westlichen Industriestaaten auch auf der Ausbeutung Afrikas?

Karamba Diaby: Ganz so würde ich das nicht formulieren. Aber es stimmt: Die Zusammenarbeit findet nicht immer auf Augenhöhe und gleichberechtigt statt. Das betrifft einerseits die Handelsbeziehungen, zum anderen die Wertschöpfungskette. Kakao oder Bananen werden nach Europa ausgeführt und dort endverarbeitet. Es wäre besser, wenn die Produktion in Afrika stattfinden würde, die Wertschöpfung also dort bliebe.

Auch für erneuerbare Energien werden Rohstoffe aus Afrika benötigt, seltene Erden beispielsweise. Die afrikanischen Staaten wollen die Rohstoffe selbst weiterverarbeiten und von ihrem eigenen Reichtum profitieren. Die bisherige Abgrenzung geht auf Kosten Afrikas. Die afrikanischen Staaten sind inzwischen selbstbewusst und benennen das deutlich. Das gefällt mir.

#4

Es wird offenbar noch immer Müll und Schrott aus Industriestaaten nach Afrika exportiert. Was sagen Sie dazu?

Karamba Diaby: Das muss man kritisieren. Viele afrikanische Länder haben jedoch Regelungen gegen diese fragwürdigen Importe geschaffen, beispielsweise mit hohen Einfuhrzöllen auf bestimmte Produkte. In Senegal dürfen Autos, die älter als acht Jahre sind, nicht importiert werden. Ein Problem ist der Plastikmüll, weil in Afrika die Recycling-Anlagen fehlen. In Ruanda gilt daher schon seit Jahren ein Verbot für Plastiktüten. Die Sensibilität für das Thema Müll und Schrott ist stark gewachsen.

#5

Afrika ist also kein abgehängter Kontinent, wie manche Beobachter meinen?

Karamba Diaby: Nein. Afrika ist ein Kontinent der Chancen. Einige afrikanische Staaten haben zum Beispiel bei der Digitalisierung beachtliche Erfolge zu verzeichnen. Sie sind uns damit mehrere Schritte voraus. Internationale Geldtransfers werden aus der Wüste in Mauretanien organisiert, ohne Bank, nur mit Handys. In Gabun ist unlängst eine App entwickelt worden, um Bücher zu digitalisieren. Es gibt viele positive Ansätze. Wenn wir unsere Partner ernst nehmen, können wir von ihnen lernen. Die wirtschaftliche Kooperation ist dann beiderseits von Interesse. Das ist die neue Philosophie in der Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika.