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Jesiden im Nordirak : Abgeordnete kritisieren Abschiebungen von Jesiden

Der versprochene Wiederaufbau von durch den IS zerstörten jesidischen Siedlungen im Nordirak kommt kaum voran - auch aufgrund der fragilen Sicherheitslage.

17.11.2023
2024-01-31T17:32:26.3600Z
2 Min

Nach Protesten gegen Abschiebungen von Jesiden in den Irak hat der Menschenrechtsausschuss am Mittwoch Lage und Rückkehrperspektiven der Jesiden erörtert. Dabei hinterfragten Abgeordnete die gesunkene Schutzquote von irakischen Jesiden und erinnerten an den Beschluss des Bundestags, die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates (IS) gegen Jesiden als Genozid anzuerkennen. Vor dem Hintergrund einer weiterhin fragilen Sicherheitslage seien Abschiebungen nicht hinnehmbar, kritisierten einzelne Ausschussmitglieder. Ende Oktober hatten vor dem Bundestag Angehörige der religiös-ethnischen Minderheit, die unter anderem in Syrien und im Nordirak beheimatet ist, gegen drohende Abschiebungen mit einem Hungerstreik demonstriert. 2014 waren die Jesiden Opfer von brutalen Angriffen des IS geworden. Tausende waren von der Terrormiliz umgebracht, verschleppt und versklavt worden.

Minen und zerstörte Gebäude verhindern Rückkehr

Die aus dem Bundestagsbeschluss erwachsende Verpflichtung, sich für Rückkehrperspektiven einzusetzen, nehme die Bundesregierung sehr ernst, betonten Vertreter von Auswärtigem Amt (AA), Bundesinnenministerium (BMI) und Bundesentwicklungsministerium (BMZ) in der Sitzung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sei im März in den Nordirak gereist. Gegenüber der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung dringe die Bundesregierung auf Umsetzung des 2020 geschlossenen Sindschar-Abkommens, das die Bedingungen für Wiederaufbau und Rückkehr der vertriebenen Jesiden schaffen soll. Doch die Umsetzung komme nur schleppend voran, räumte der AA-Vertreter ein.

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Deutschland helfe beim Wiederaufbau über Programme zur Wiederinstandsetzung von Wohnraum und Infrastruktur, und unterstütze zudem die Jesiden, die noch zu Hunderttausenden in Camps lebten, mit psycho-sozialer Betreuung, Beschäftigungsmaßnahmen sowie Wirtschaftsförderung, erklärte die BMZ-Vertreterin. Noch immer hinderten aber Minen und Sprengfallen, zerstörte Häuser, Straßen, Strommasten und Schulen die Menschen an der Rückkehr. Auch die Sicherheitslage sei weiterhin unbeständig.

Schutzquote für Jesiden stark gesunken

Dennoch gehe das BMI nicht mehr von einer Verfolgung der Jesiden als Gruppe im Irak aus, erklärte dessen Vertreter. Die Schutzquote für irakische Jesiden habe 2022 bei 48,6 Prozent gelegen. 2023 seien bislang 135 Personen in den Irak abgeschoben worden. Wie viele Jesiden allerdings darunter gewesen seien, dazu könne das BMI keine Angaben machen. Der Bund erfasse die Religionszugehörigkeit selbst nicht, so der BMI-Mitarbeiter.

Dass eine solch entscheidende Information nicht erfasst werde, kritisierten einzelne Abgeordnete scharf. Andere thematisierten einen Abschiebestopp oder eine Stichtagsregelung für Jesiden.