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Foto: picture alliance / Sipa USA
Problem Selbstblockade: Der 118. Kongress gehört mit knapp 30 Gesetzesvorhaben zu den unproduktivsten der amerikanischen Parlamentsgeschichte.

US-Kongress im Wahlkampf : Der Blockierer heißt Donald Trump

Die USA wählen 2024 nicht nur einen Präsidenten, sondern auch Senatoren und Abgeordnete. Bei der Kandidatenauswahl mischt Ex-Präsident Trump kräftig mit.

22.02.2024
2024-03-06T17:06:34.3600Z
5 Min

Donald Trump gegen Joe Biden - das wahrscheinlichste Duell um die Präsidentschaft in Amerika saugt neun Monate vor der Wahl nahezu den gesamten Sauerstoff aus der Washingtoner Politik-Blase. Dabei gerät aufs Nebengleis, was am 5. November - neben der Wahl von regionalen Gouverneuren und lokalen Würdenträgern - für die Zukunft der Vereinigten Staaten nicht minder relevant ist: ein funktionierender Kongress, dessen zwei Säulen, das Repräsentantenhaus und der Senat, das gestalterische Gegengewicht zum Weißen Haus bilden.

33 von 100 Senatorinnen und Senatoren sowie alle 435 Mitglieder im Repräsentantenhaus stellen sich an diesem Tag zur Wahl. Welche Mehrheiten sich dabei herausbilden, hat maßgeblichen Einfluss auf die politische Beinfreiheit desjenigen, der am 20. Januar 2025 in Washington als Commander-in-Chief ins Amt eingeführt wird.

Schlechte Aussichten für einen gedeihlichen Parlamentsbetrieb

Im Repräsentantenhaus haben aktuell die Republikaner nominell gerade mal sieben Stimmen mehr als die Demokraten; de facto sind es noch weniger, weil mehrere Mandate noch nicht wieder neu besetzt sind. Im Senat gibt die Partei des amtierenden Präsidenten Joe Biden mit nur zwei Stimmen Vorsprung den Ton an. Viel spricht heute in den tief gespaltenen USA dafür, dass es bei knappen Mehrheiten bleiben wird.

Der Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson gilt als Notlösung der zerstrittenen Republikaner.   Foto: picture alliance / newscom

Die Aussichten auf einen gedeihlichen Parlamentsbetrieb stehen dabei mehr als schlecht. Während die Demokraten den Wechsel an ihrer Spitze von Nancy Pelosi zu Hakeem Jeffries geräuschlos vollzogen haben, fallen die Republikaner als konstruktive Ordnungskraft weitgehend aus. Sie sind von Flügelkämpfen zerrissen, die durch die Interventionen des informellen Parteichefs Donald Trump noch beschleunigt werden. Das bisher prominenteste Opfer war ihr eigener Top-Mann, Kevin McCarthy, der bis zu seinem vom zerstörerisch rechten Rand der Fraktion betriebenen Rauswurf als "Mr. Speaker" hinter dem Präsidenten und der Vizepräsidentin die Nr. 3 im Staatsgefüge verkörperte.

Die Hoffnung, dass durch den als Notlösung ins Amt gekommenen Nachfolger Mike Johnson Beruhigung eintreten würde, hat sich bisher nicht erfüllt. Im Gegenteil: Johnson hat in den ersten 100 Tagen mehrere Misserfolge zu verantworten, zum Beispiel die anfangs gescheiterte Amtsenthebung von Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas. Radikale Abgeordnete wie Marjorie Taylor Greene drohen Johnson offen mit Abwahl, sollte er einen Gesetzentwurf zur Abstimmung zulassen, der Militärhilfe für die Ukraine beinhaltet. "Es gibt keine verbindende Klammer mehr", sagen gemäßigte konservative Abgeordnete hinter vorgehaltener Hand, "die Selbstblockade ist unser dominierendes Problem geworden."

Der aktuelle Kongress ist so unproduktiv wie selten zuvor

Das wirkt sich aus. Der 118. Kongress gehört mit knapp 30 Gesetzesvorhaben zu den unproduktivsten der amerikanischen Parlaments-Geschichte. Experten sprechen von einem "rasanten institutionellen und kulturellen Niedergang". Zum Vergleich: In den zwei Jahren, in denen die Demokratin Nancy Pelosi als Sprecherin fungierte, verabschiedete das Repräsentantenhaus mehr als 300 Gesetze.

Wahlen zum US-Kongress am 5. November 2024 🗳️

Komplettes Repräsentantenhaus wird neu gewählt: Alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses werden für zwei Jahre neu gewählt. Wirklich offen zwischen den Parteien ist der Ausgang aber nur bei wenigen Rennen. 

Ein Drittel des Senats: 33 von 100 Mitglieder des Senats werden regulär für sechs Jahre neu bestimmt. 20 Sitze davon halten aktuell die Demokraten, hinzu kommen drei Unabhängige, die mit den Demokraten zusammenarbeiten. In Nebraska findet zudem eine Nachwahl für einen Senatssitz statt.

Knappe Mehrheiten: Aktuell verfügen die Republikaner im Repräsentatenhaus über eine dünne Mehrheit. Gleiches gilt für die Demokraten und Unabhängigen im Senat. 



Im Senat sieht die Lage etwas besser aus. Monatelang gelang es dem republikanischen Vertreter aus Alabama, Tommy Tuberville, Hunderte Top-Personalien im Bereich des Militärs mit sachfremden Argumenten zu sabotieren; ohne dass man dem ehemaligen Football-Coach und Anhänger von Verschwörungstheorien parlamentarische Fußfesseln angelegt hätte. Ein Grund: Tuberville konnte sich im Schutz von Donald Trump sonnen, der mit Macht moderate Kräfte abdrängt, Gegenkandidaten aufbaut und radikalen Stimmen wie Marjorie Taylor Greene und Matt Gaetz im Repräsentantenhaus oder Mike Lee und Josh Hawley im Senat Rückenwind verleiht.

Etliche Abgeordnete schmeißen hin - auch wegen Trump

Im gesamten Parlament hat dies unverkennbar zu Frustrationen geführt, denen sich viele nicht mehr aussetzen wollen. Bezeichnend ist darum die Aussteigerquote. Bis heute haben 45 Abgeordnete im Repräsentantenhaus und sieben Senatoren erklärt, dass sie im Herbst nicht erneut kandidieren werden.

Bei den Republikanern ist Donald Trump der wichtigste Grund für den Exodus. Der favorisierte Präsidentschaftskandidat hatte seiner Partei bereits bei den Kongress-Zwischenwahlen 2022 geschadet. Es war vorher eine "rote Welle", also viele zusätzliche Mandate für die Republikaner, prognostiziert worden. Sie blieb jedoch vollständig aus. 2024 könnte sich ein ähnliches Szenario ergeben. Abgeordnete wie Ken Buck oder Mike Gallagher, die seit Langem mit Trump im Clinch liegen und seinen destruktiven Einfluss auf die Fraktion beklagen, wollen den Kurs nicht länger mittragen, sie hören auf. Das gilt im Senat auch für den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney.

Nur 25 Kandidaten-Rennen sind wirklich offen

Mit Blick auf die Wahl bleibt es bei einem alten Phänomen. Aufgrund des von den Parteien durch das sogenannte "gerrymandering" geregelten Zuschnitts der Wahlkreise sind im Repräsentantenhaus von insgesamt 435 Sitzen praktisch bereits heute 345 Sitze ziemlich sicher an Demokraten (167) und Republikaner (178) vergeben. Verfeinert man die Meinungsforschung, kristallisieren sich nur 25 Kandidaten-Rennen als wirklich offen heraus. Derzeit haben die Demokraten 212 Mandate, die Republikaner kommen auf 219.

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Im Senat stehen sich derzeit 51 Demokraten, wobei drei Parteiunabhängige wie etwa der frühere Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders bereits eingerechnet sind, und 49 Republikaner gegenüber. Von 100 Sitzen werden nur 33 neu vergeben. Davon werden derzeit 23 von Demokraten gehalten, was sie verwundbarer macht. Heißt: Gewinnt die "Grand Old Party" zwei Mandate hinzu, übernimmt sie im Oberhaus das Kommando. Sollte ihr Kandidat, Trump oder ein anderer, ins Weiße Haus einziehen, reichte ein Mandat, weil dann die neue Vizepräsidentin oder der Vizepräsident bei knappen Abstimmungen das Zünglein an der Waage wäre.

Jeder Bundesstaat entsendet zwei Senatoren, die sechs Jahre im Amt bleiben. Ohne das Parlament kann kein Präsident wichtige Gesetzesvorhaben in der Finanz-, Gesundheit-, Klima- oder Einwanderungspolitik durchsetzen. Ein geteilter Kongress, in dem Demokraten oder Republikaner nicht aus einem Guss agieren können, macht eine pragmatische Lösung von Problemen zusätzlich schwer. Ohne Kongress-Mehrheit ist der Radius des Präsidenten stark eingeschränkt. Ihm bleiben oft nur Exekutivanordnungen und Dekrete, um seine Politik durchzusetzen.