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Gastkommentare : Pro und Contra: Ist die Cannabis-Legalisierung das richtige Signal?

Die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis sind nicht nur im Bundestag umstritten. Rainer Woratschka und Thomas Sigmund im Pro und Contra.

19.10.2023
2024-03-14T13:37:25.3600Z
2 Min

Pro

Eine Win-Win-Situation

Foto: privat
Rainer Woratschka
ist Redakteur im Background Gesundheit & E-Health beim "Tagesspiegel" in Berlin.
Foto: privat

Zunächst einmal: Geplant ist lediglich eine Teil-Legalisierung. Für Kinder und Jugendliche bleibt Cannabis verboten. Auch Erwachsene sollen höchstens 25 Gramm besitzen dürfen, plus drei Pflänzchen. Und um Schulen, Sportstätten, Jugendzentren herum darf weder gehandelt noch gekifft werden. All das ist gut so und wichtig, denn Droge ist Droge. Wobei Alkohol weit gefährlicher und dennoch auch künftig wohl viel einfacher erhältlich sein dürfte.

Insofern ist die Aufgeregtheit um das nun einzulösende Koalitionsversprechen kaum nachvollziehbar. Wenn Ärzteverbände nochmal vor gesundheitlichen Risiken warnen, muss man ihnen die Frage entgegenhalten: Wie ist es denn bisher? Viereinhalb Millionen Erwachsene kiffen hierzulande, neun Prozent der Bevölkerung. Die Tendenz ist steigend, die bisherige Kriminalisierung offenbar wirkungslos. Gleichzeitig sind die Konsumenten auf illegal beschaffte Ware angewiesen. Sie haben keine Ahnung, was verunreinigt oder gestreckt wurde, kennen nicht mal den THC-Gehalt. Ein gefährlicher Blindflug. Vor allem für Jugendliche, die natürlich munter mitmischen. Joints kreisen auf fast allen Schulhöfen.

Die anvisierte Teillegalisierung verringert also nicht den Gesundheitsschutz, sie könnte ihn deutlich erhöhen. Der Markt wäre damit weit besser als bisher zu kontrollieren. Polizei und Justiz würden entlastet, Konsumenten nicht mehr zu Dealern getrieben, die auch Härteres offerieren. Mit entsprechender Besteuerung bekäme der Staat sogar Mittel, um wirksamer in Suchtprävention zu investieren - eine Win-Win-Situation für alle.

Die bisherige Drogenpolitik hat sich in Doppelmoral geübt und den Kopf in den Sand gesteckt. Es wird Zeit, dass sich das ändert.

Contra

Falsches Versprechen

Foto: Marc-Steffen Unger
Thomas Sigmund
ist Ressortleiter Politik und Leiter des Hauptstadtbüros beim "Handelsblatt".
Foto: Marc-Steffen Unger

Der Bundesgesundheitsminister warnt. Cannabis schade besonders dem noch wachsenden Gehirn, erläuterte Karl Lauterbach jüngst in einem Interview: "Bis zum 25. Lebensjahr wird das Gehirn noch umgebaut. Wer in dieser Altersphase konsumiert, der schadet sich besonders." Wer jetzt denkt: "Das kann ja nicht sein. Die Koalition will doch allen Bürger ab 18 Jahren erlauben, Marihuana und Haschisch anzubauen, zu besitzen und zu beziehen", dem kann nur gesagt werden: Völlig konträre Meinungen gleichzeitig zu vertreten, ist für Lauterbach und die "Ampel" kein Problem.

Es überrascht deshalb nicht, dass die Koalition von ihrem Gesetzesvorhaben nicht abweicht, obwohl Ärzte, Polizeigewerkschaft und Richter vor diesem falschen Versprechen von Freiheit warnen. Die Polizeigewerkschaft erklärt, sie habe nicht genug Personal, das Kiffer-Dickicht an geplanten Regeln zu überwachen. Der Richterbund meint, die vorgesehene Registrierung in einem Anbauverein würde Konsumenten abschrecken, die dann wieder auf einen Schwarzmarkt ausweichen. Von einer Entlastung der Justiz könne keine Rede sein. Die Kinder- und Jugendmediziner befürchten Gesundheitsschäden bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Man muss jetzt auch kein Psychologe sein, um vorherzusagen: Eine Legalisierung führt dazu, dass gerade junge Konsumenten das Risiko falsch einschätzen. Das gilt schon für Alkohol und Tabak und damit auch für Cannabis.

Am Ende wird aber der gesamte Sachverstand nichts nützen. Die "Ampel" wird alle Einwände von Tisch wischen. Kein Wunder: SPD, Grüne und FDP können eben auch gleichzeitig Werbung für Süßigkeiten verbieten und das Kiffen erlauben.