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Kirchen contra Rechtsextremismus : Das Kreuz mit der AfD

Die katholische und die evangelische Kirche warnen vor der AfD. Es geht dabei auch um die Vereinnahmung und Umdeutung des Christentums durch Rechtsextreme.

22.03.2024
2024-03-22T14:33:04.3600Z
6 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Matthias Bein

Björn Höcke führt den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeschätzten Thüringer Landesverband der AfD. Höckes Vorstellung von einem "neuen Glauben" stößt bei Kirchenvertretern auf deutliche Ablehnung.

Katholizismus contra AfD - so deutlich wie zuletzt haben sich die römisch-katholischen Bischöfe noch nie parteipolitisch positioniert. "Wir stehen zur freiheitlichen Demokratie, halten sie für die bestmögliche Staatsform und gestalten sie nach unseren Möglichkeiten mit," erklärt der Magdeburger Bischof Gerhard Feige auf Anfrage. Seine Kirche melde sich immer wieder zu Wort, wenn es um christliche Werte gehe. Auch vor politisch extremistischen Tendenzen warne man, habe aber bisher keine bestimmten Parteien beim Namen genannt. Bisher. "Nunmehr war und ist das Maß voll, was sowohl das Programm als auch das Agieren der AfD und ihrer Anhänger betrifft", sagt Feige.

Bischof von Magdeburg: Keine normale Partei

Die Partei sei nicht mehr nur eine Partei unter anderen. Für den katholischen Bischof von Magdeburg ist sie "eine ernstzunehmende Gefahr für unser weiteres Zusammenleben". Es gehe um etwas Grundsätzliches. Feige weiter: "Das sagt nicht nur unser Bauchgefühl, das belegen auch Studien, die die Vorstellungen dieser Partei mit den Prinzipien der katholischen Soziallehre verglichen haben. Erkenntnis: unvereinbar!" Der Bischof verweist auf "das provokante Auftreten von AfD-Mitgliedern bei Parteiversammlungen, in Parlamenten und auf Demonstrationen".


Gerhard Feige Bischof von Magdeburg im Porträt
Foto: Bistum Magdeburg
„Wir stehen zur freiheitlichen Demokratie, halten sie für die bestmögliche Staatsform und gestalten sie nach unseren Möglichkeiten mit.“
Bischof Gerhard Feige

Der Magdeburger Kirchenmann steht dabei nicht allein. In einer Erklärung der Bischofskonferenz vom 22. Februar schreiben die Oberhäupter der 27 deutschen Bistümer: "Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung. Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus, den der Verfassungsschutz einigen Landesverbänden und der Jugendorganisation der Partei attestiert, und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal und grundsätzlich daherkommt." Der Rechtspopulismus sei "der schillernde Rand des Rechtsextremismus". Die Bischöfe warnen vor "stereotypen Ressentiments gegen Geflüchtete und Migranten, gegen Muslime, gegen die vermeintliche Verschwörung der sogenannten globalen Eliten, immer stärker auch wieder gegen Jüdinnen und Juden".

AfD verweist auf Blutsgemeinschaft als Schöpfungsakt

AfD-Vertreter wehren sich gegen die Kritik der Kirche. In einem offene Brief an die katholischen Bischöfe verweist der Verein "Christen in der Alternative für Deutschland e.V." zunächst darauf, dass es katholischen Priestern verboten sei, sich politisch zu betätigen. In dem Brief wird der Vorwurf zurückgewiesen, "die AfD schüre Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus".

Doch die Vertreter des AfD-Vereins schreiben auch: "Von der Existenz unterschiedlicher, voneinander getrennter Völker als Abstammungs- und Blutsgemeinschaft, wie Sie das in Frage stellen, geht zunächst einmal der christliche Schöpfergott der Bibel als dessen Schöpfung aus."


Bischof Matthias Ring
Foto: Ak Ordinariat
„Ja, die Bibel geht von unterschiedlichen Völkern aus, aber Rassismus lässt sich damit nicht begründen.“
Bischof Matthias Ring

Das wiederum stößt auf theologischen Widerspruch. "Ja, die Bibel geht von unterschiedlichen Völkern aus, aber Rassismus lässt sich damit nicht begründen", erklärt Matthias Ring, Bischof der Alt-Katholiken, einer kleinen von Rom unabhängigen katholischen Kirche, die in Deutschland seit 150 Jahren als Körperschaft des öffentlichen Rechts neben der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche Amtskirchenstatus besitzt. Ring, der zum Thema Kirchen im Nationalsozialismus promoviert hat, betont: "Die Botschaft Jesu richtet sich an alle Völker, ohne zwischen angeblich höher- oder minderwertigen zu unterscheiden. Gerade das Pfingstereignis macht deutlich, dass die Unterschiede zwischen den Völkern aufgehoben sind."

Rachel: Aussage von "Christen in der AfD" in Kontrast zum Grundgesetz

Dass die Aussage nicht nur theologisch brisant ist, betont der religionspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Rachel: "Wenn AfD-Vertreter von einer Abstammungs- und Blutgemeinschaft der Völker sprechen, dann steht das in totalem Gegensatz zu unserem Grundgesetz." Die AfD wolle "Menschen in Schubladen stecken" und festlegen, "wer zu unserer Gesellschaft dazugehören darf und wer nicht". Damit würden Menschen "ausgegrenzt mit Hilfe des NS-Vokabulars Blutsgemeinschaft".

Foto: picture alliance/dpa

In Dresden zünden Bürger vor der Frauenkirche Kerzen an, um den Opfern des nationalsozialistischen Terrors zu gedenken.

Im Christentum sei jeder Mensch Ebenbild Gottes, was das Grundgesetz mit der Einzigartigkeit eines jeden Mensch und dessen unveräußerlicher Würde übersetze, sagt Rachel und ergänzt: "In dem Schreiben der sogenannten Christen in der AfD wird Artikel 1 des Grundgesetzes in Abrede gestellt, den die Väter und Mütter in unsere Verfassung als direkte Konsequenz aus den Verbrechen der Nationalsozialisten geschrieben haben." In dem AfD-Schreiben sieht er "Blasphemie", also Gotteslästerung.

Vorwurf der "Blasphemie" an AfD-Mann Höcke

Diesen Vorwurf macht Bischof Feige auch dem Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke. Dieser hatte in einem Youtube-Video erklärt, er wünsche sich einen neuen Glauben, "der das Heilige des Christentums mit dem Heldenmut aus dem Heidentum vereint". Den Magdeburger Bischof erinnert das an die Nazizeit, "als die 'Deutschen Christen' - rassistisch und antisemitisch motiviert - den Protestantismus an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollten". Ziel sei es gewesen, aus Jesus einen "arischen Helden" zu machen. "Ähnliches scheint Höcke im Sinn zu haben. Das aber halte ich für blasphemisch", erklärt Feige.

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Auch Prälatin Anne Gidion, Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, verbittet sich den Versuch, Christus als "arisch, weiß und blauäugig" darzustellen, wie es die sogenannten "Deutschen Christen" schon versucht hätten. "Solche Umdeutungen waren schlichtweg abstrus und standen im radikalen Widerspruch zu der elementaren Tatsache, dass Jesus ein Jude war", erklärt die Theologin.

Alt-Katholischer Bischof will keine Bevormundung 

Ist es klug, dass die Kirchen sich so klar von einer Partei abgrenzen? "Die Gefahr ist, dass Menschen das als Bevormundung wahrnehmen", sagt der alt-katholische Bischof Ring. "Wenn, dann sollte so eine Positionierung eine Synode entscheiden", erklärt er, also eine Art demokratisch gewähltes Kirchenparlament.

Dennoch hat Ring selbst eine klare Haltung zu rechtem Gedankengut. "Wenn sich jemand als Christ ausgibt, und zugleich als AfD-Wähler, dann möchte ich schon wissen, wie er das Evangelium versteht", sagt er. Vieles von dem, was die AfD so sage, seien "olle Kamelle". Dazu gehöre insbesondere Höckes Vorstellung eines germanisierten Christentums. "Das ist das völkische Gedankengut aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts."

Trotzdem - die AfD stößt mit ihren Aussagen in der Bevölkerung auf nach wie vor große Zustimmungswerte. In Thüringen könnte die vom dortigen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei bei den Wahlen im Herbst stärkste Kraft werden. Vor allem mit dem Thema Migration will die Partei punkten, zeigt sich ausdrücklich als antiislamisch. So hat AfD-Mann Höcke bereits 2018 in seinem Buch erklärt, man könne "den Muslimen unmissverständlich klarmachen, dass ihre religiöse Lebensweise nicht zu unserer abendländisch-europäischen Kultur passt und wir anders leben wollen als nach der Scharia".

Verteidigung des Abendlandes mit "geist- und facettenreicher Weite"

Ist das nun die Verteidigung des christlichen Abendlandes? Dazu sagt Bischof Feige: "Worin besteht denn heutzutage die sogenannte abendländisch-europäische Kultur? Doch nicht in einer völkisch-nationalistischen Enge, sondern in einer geist- und facettenreichen Weite. Dazu gehören auch Religions- und Gewissensfreiheit sowie eine große Toleranz." Die Grenzen dafür seien lediglich dort zu ziehen, wo "das demokratische Gefüge untergraben wird".


Prälatin Anne Gidion im Porträt
Foto: Karin Baumann
„Herr Höcke verzerrt die Probleme, macht sie größer, als sie sind, instrumentalisiert Ängste und wertet viele Menschen ab. “
Prälatin Anne Gidion

Sicher, auch Kirchenvertreter sehen Probleme in Zusammenhang mit der Migration. Dass etwa nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in deutschen Städten Süßigkeiten verteilt worden sind, um die Untaten der Hamas zu feiern, sei in aller Klarheit zu verurteilen, sagt Prälatin Gidion. Auch gerieten viele Kommunen bei der Versorgung von Flüchtlingen an ihre Grenzen. "Ich brauche aber nicht Herrn Höcke dafür, um festzustellen, dass unsere Einwanderungsgesellschaft Probleme hat." Gidion: "Herr Höcke verzerrt die Probleme, macht sie größer, als sie sind, instrumentalisiert Ängste und wertet viele Menschen ab. Das schürt die Konflikte nur, bietet aber keine Lösungen."

EKD-Synodenbeschluss gegen die AfD

Die evangelische Kirche habe es in der Vergangenheit vermieden, zur Wahl oder Nichtwahl bestimmter Parteien aufzurufen und stattdessen schlicht geraten, wählen zu gehen. Das sei jetzt anders. "Extreme und menschenverachtende Positionen dürfen wir nicht unterstützen ", sagt Gidion. Bereits im vergangenen Jahr habe die EKD-Synode in einem Beschluss dazu aufgerufen, "ausschließlich Parteien aus dem demokratischen Spektrum zu wählen, die sich für eine offene Gesellschaft der Vielfalt und ein gerechtes, demokratisches Gemeinwesen einsetzen". Die menschenverachtenden Haltungen und Äußerungen insbesondere der rechtsextremen Kräfte in der AfD seien mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar, heiße es in diesem Text.

Gidion verweist ferner auf eine Internetkampagne der evangelischen Jugend zur Europawahl unter dem Hashtag "waehlerisch". Sie sagt: "Darin werden insbesondere junge Wähler dazu aufgerufen, sich ein umfassendes Bild zu machen und ihre Meinung nicht nur auf Videos aus Tiktok oder anderen Kanälen zu gründen."

Ein klare Positionierung gegen die AfD nehmen nicht nur die katholischen Bischöfe vor, sondern auch die EKD. Die Kirchen warnen vor einer Wahl der AfD - ein durchaus außergewöhnlicher parteipolitischer Akt.