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Digitale Kommunikation : "So ansteckend wie ein Virus"

Eva Menasse geht in ihrem neuen Essay hart ins Gericht mit den sozialen Medien. An die Stelle einer faktenbasierten Debatte seien "Aufruhr und Geschrei" getreten.

26.02.2024
2024-02-29T15:27:58.3600Z
2 Min

Die in Berlin lebende österreichische Autorin Eva Menasse, 2005 bekannt geworden mit ihrem autobiografisch geprägten Familienroman "Vienna", betätigt sich seit einigen Jahren auch als Essayistin. In ihrem jüngsten Buch schreibt sie darüber, was die "digitale Massenkommunikation zwischenmenschlich angerichtet" hat. Die globale Vernetzung durch das Internet sei die "wahre Zeitenwende" - kein Krieg, keine Wirtschaftskrise und auch nicht die Corona-Pandemie hätten vergleichbare Auswirkungen auf das Zusammenleben.

Delegitimierung statt Argumenten

Mit Sorge beobachtet Menasse vor allem, wie die sogenannten "sozialen Medien" die Diskussionskultur im öffentlichen wie im privaten Raum verändern: "Enorme Emotionen werden digital freigesetzt, pflügen Politik und Gesellschaft um." An die Stelle von Argumenten trete die brutale Delegitimierung des Gegners, "Aufruhr und Geschrei" verhinderten konstruktive Debatten.

Menasse vermisst in der digitalen Welt "Anstand, Takt und Großmut". Das "Krasse, Übertriebene" erhalte die meisten Klicks und Likes. Empörung halte "die Menschen an ihren Geräten". Corona habe schonungslos offengelegt, dass der Irrationalismus im Netz "so ansteckend ist wie ein Virus". Statt Fakten überwiege Aberglauben, aggressiver Egoismus und Kompromisslosigkeit. Die "ätzende Skepsis" komme aus der Mitte des Bürgertums, der Hass auf verdächtige Eliten sei zum Gesellschaftsspiel geworden.

In der zweiten Hälfte des Buches verliert Eva Menasse ein wenig den roten Faden. Sie beschäftigt sich mit Wokeness, Identitätspolitik und Antisemitismus, stellt aber nur noch am Rande die Verbindung zum eigentlichen Thema her. Die Kernthesen ihres Essays sind nicht neu, liefern aber eine interessante Zwischenbilanz der Folgen digitaler Kommunikation: "Die Menschen denken, fühlen und streiten anders, seit sie dauervernetzt und überinformiert sind."

Eva Menasse:
Alles und nichts sagen.
Vom Zustand der Debatte in der Digitalmoderne.
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2023;
190 Seiten; 22 €