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Bargeldlos Bezahlen : Digitaler Euro für das Smartphone

Die Europäische Zentralbank arbeitet an einem digitalen Euro als Ergänzung zum klassischen Bargeld. Nicht nur Datenschützer üben Kritik.

30.12.2023
2024-03-05T10:08:59.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance / Geisler-Fotop

Der Euro rückt bald aufs Handy vor.

Der Euro bekommt ein digitales Geschwisterchen. Doch überall beliebt ist das Kind nicht. Während Evelien Witlox von der für die Schaffung des neuen Geldes verantwortlichen Europäischen Zentralbank (EZB) von einer "natürlichen Evolution des Geldes" spricht, besteht für die europäische Datenschutzbehörde "das Risiko der Massenüberwachung". Und Dieter Sauter von der Bundesdruckerei, die unter anderem Geldscheine herstellt, warnt: "In keinem Fall dürfen digitale Identitäten dazu dienen, Transaktionen zu kontrollieren und sie mit konkreten Personen zu verknüpfen."

Immer seltener wird in Bar bezahlt

Unabhängig von diesen Warnungen läuft die Reise in die digitale Zahlungswelt - auch in Deutschland, das früher den Ruf hatte, eine Art Bargeld-Trutzburg zu sein. Beim Einkaufen, Tanken, in Restaurants und Hotels wurde und wird gern noch bar bezahlt, auch wenn die meisten Bürger Plastikkärtchen in der Tasche haben, mit denen sich die Rechnungen heute schon digital begleichen lassen. Seit einigen Jahren wächst jedoch der Anteil bargeldloser Zahlungen, und im Zuge der Corona-Pandemie begann der Siegeszug kontaktloser Zahlungen wie der NFC-Technik (Near Field Communication): Die Karte wird an ein Lesegerät gehalten, und die Abbuchung vom Konto oder die Belastung der Kreditkarte wird veranlasst. Wurden 2017 noch 74,3 Prozent aller Zahlungsvorgänge in bar abgewickelt, so sank die Zahl bis 2021 nach Angaben der Bundesbank auf 57,8 Prozent. Dadurch wächst der Marktanteil von Kreditkartenanbietern wie Visa und Master sowie von Zahlungsdiensteanbietern wie Paypal und Applepay. Den größten Anteil haben Debitkarten von Banken wie die Girocard.

Die Zentralbanken spielten in der Vergangenheit bei der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs keine Rolle, auch wenn die Diskussion um die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen schon lange vor Corona begann. Bei den Vereinten Nationen existiert seit über zehn Jahren die "Better-than-Cash"-Allianz. Ihr gehören internationale Organisationen, Stiftungen und Regierungen an. Auch Deutschland ist mit von der Partie. Digitale Währungen können nach Ansicht dieser Allianz dafür sorgen, dass finanziell Ausgegrenzte am Zahlungsverkehr teilnehmen können. Immerhin sollen fünf Prozent der in der EU lebenden Menschen keinen Zugang zu Bankkonten haben. Digitales Geld wäre damit ein wichtiger Beitrag zur finanziellen Inklusion. Sicher ist es außerdem in zweifacher Hinsicht: Diebstahl wie von Münzen und Scheinen ist nicht möglich, und die Zentralbank garantiert Ausfallsicherheit, da sie im Unterschied zu privaten Zahlungsdiensteanbietern wie seinerzeit Wirecard nicht pleite gehen kann.

Ein Euro auf einer Platine als Symbol für den digitalen Euro
Kritik am digitalen Euro: Union und AfD fürchten Schwächung des Bargelds
Union und AfD sehen die mögliche Einführung eines digitalen Euro kritisch. Die Union will eine Bundestagsentscheidung, die AfD gar eine Volksabstimmung.

Fast alle Zentralbanken weltweit prüfen, ob sie eine digitale Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) einführen können. Einige Länder sind sogar schon so weit, darunter China, Nigeria und Jamaika. "Wir müssen unsere Währung auf die Zukunft vorbereiten", sagt etwa Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Digitales Portemonnaie für den digitalen Euro

Diese Zukunft kennt bereits Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank: "So wie es im Moment aussieht, wird es eine Wallet geben, also ein digitales Portemonnaie. Das ist eine App auf dem Smartphone, in der die Bürgerinnen und Bürger ihre digitalen Euro aufbewahren können." Mit der Wallet könne etwa wie mit heutigen Karten über die NFC-Technik bezahlt werden. Mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen aus der Blockchain hat der digitale Euro übrigens nichts zu tun. Er wird allein von der EZB herausgegeben und entspricht im Wert genau dem Bargeld-Euro. "Zentralbankgeld bietet die höchste Form von Sicherheit", wirbt Balz für das Projekt. Selbst ohne Internetverbindung und ohne Smartphone könnten die Menschen mit einer in Vorbereitung befindlichen Offline-Lösung des digitalen Euro bezahlen. Allerdings sollen Zahlungen mit Bargeld möglich bleiben. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel versichert, von einer "cashless Society", einer bargeldlosen Gesellschaft, sei man weit entfernt. Auch die Bundesregierung sieht Bargeld als "zentrale Geldform unserer freiheitlichen Gesellschaft" an.

Daran bestand auch bei einer Debatte im Bundestag bei allen Fraktionen außer der AfD kein Zweifel. Die Unionsfraktion hatte in einem Antrag (20/9133) eine Beteiligung des Bundestages an der Euro-Digitalisierung gefordert. Die AfD hatte dagegen die Einführung in einem Antrag (20/9144) ganz abgelehnt und im Grundgesetz die Verankerung eines Rechts "zur uneingeschränkten Nutzung von Bargeld" verlangt. Über die Anträge wird in den Ausschüssen weiter beraten.

EZB: Banknoten allein reichen nicht mehr

In der EU laufen die Vorbereitungen derweil weiter: "Banknoten allein können Europas Wirtschaft nicht mehr unterstützen", heißt es im EU-Plan zur Einführung des digitalen Euro, den die Kommission am 28. Juni 2023 vorgelegt hatte. War zunächst die Einführung für alle Zahlungen von Ladenkasse bis Internet mit einem allgemeinen Annahmezwang geplant, so zeichnet sich jetzt ein stufenweises Vorgehen ab. Eine Einführung zunächst ohne Bezahlmöglichkeit im Einzelhandel sei technisch weniger komplex. In etwa vier bis fünf Jahren sollen Zahlungen im Internet ebenso möglich werden wie Zahlungen von Wallet zu Wallet ("Person-to-Person"). Allerdings soll die Digitalwährung nicht in unbegrenzter Menge erhältlich sein. Wer digitale Euro in seine Wallet packen will, soll dies nur bis zu einer Größenordnung von etwa 3.000 Euro tun dürfen. Dies soll dem Schutz vor Geldwäsche dienen und im Falle von finanzieller Instabilität ein Ausbluten privater Banken durch Geldflucht zur EZB verhindern.

Die Kritik am digitalen Euro betrifft vor allem zwei Bereiche. Der eine ist der mangelnde Schutz der Privatsphäre und der andere eine eventuelle Möglichkeit der Programmierung. An einem Legitimationszwang für die Nutzung der Wallet wird kein Weg vorbeiführen - auch aus Gründen der Geldwäscheprävention. Die Zentralbanken jedoch würden die Identität der Nutzer nicht kennen, versichert Balz. Und die EU erklärt, eine Programmierbarkeit sei nicht vorgesehen. Programmierbarkeit würde bedeuten, dass etwa Zahlungen für Alkohol und Tabak oder für ungesunde Lebensmittel eingeschränkt oder ganz untersagt werden könnten. Die zweite Kritik ist fundamentaler Natur. Danach löse der Digitaleuro Probleme, die nicht existieren würden. Oder, um es mit dem Wirtschaftswirtschaftler Peter Bofinger zu sagen: Der digitale Euro ist "unattraktiv wie alkoholfreier Wein".