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Gastkommentare : Pro und Contra: Sicherheit nur mit mehr Schulden?

Ist das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben auf Dauer nur mit mehr Schulden zu finanzieren? Anja Krüger und Markus Decker im Pro und Contra.

22.02.2024
2024-02-22T15:44:09.3600Z
3 Min

Pro

Zügige Reform der Schuldenbremse ist nötig

Foto: Pascal Beucker
Anja Krüger
schreibt für "die tageszeitung" in Berlin.
Foto: Pascal Beucker

Es ist falsch und gefährlich, die drastisch steigenden Ausgaben zur Erreichung des Zwei-Prozent-Ziels nach Verbrauch des Sondervermögens für die Militärausgaben allein über den Bundeshaushalt zu finanzieren. Die erforderlichen Summen sind so gigantisch, dass das nur möglich wäre, wenn die staatlichen Leistungen dramatisch gekürzt würden - etwa bei Renten, bei Sozialem oder Investitionen in die klimagerechte Modernisierung. Das würde zu massiven Belastungen sehr vieler Bürger führen. Und nicht nur das. Gesellschaft und Wirtschaft stehen vor einem enormen Umbau, der finanziell forciert und sozial abgefedert werden muss.

Solche Ausgaben zu kürzen oder gar nicht erst vorzusehen, gefährdet den sozialen Frieden, weil das zu enormen Unwuchten führen würde. Menschen wenden sich von einem Staat ab, von dem sie glauben, dass er sie benachteiligt. Die erforderlichen massiven Kürzungen würden als ungerecht empfunden. Das gilt erst recht, wenn gleichzeitig Rüstungskonzerne extrem hohe Gewinne einfahren, die der Staat nicht abschöpft.

Wenn der Bedarf für das Ausrüsten des Militärs und das Einhalten der Bündnisverpflichtungen so hoch bleibt wie angenommen, muss die Schuldenbremse gelockert werden. Die Alternative ist, kommenden Generationen einen fragilen Staat zu hinterlassen. Auch höhere Steuern für Reiche und Einkommensmillionäre sind eine Finanzierungsquelle, die der Staat nicht ungenutzt lassen sollte - aber das wird nicht reichen und nicht schnell genug zu mobilisieren sein. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, die Schuldenbremse zügig zu reformieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass die für nötig angesehenen Mittel ohne Kollateralschäden mobilisiert werden können.

Contra

Instrumente an die neue Normalität anpassen

Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung
Markus Decker
schreibt für das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung

Dass die Bundeswehr mehr Geld braucht, ist unstrittig. Der Hauptgrund dafür ist Russlands Angriff auf die Ukraine, der zunehmend gepaart ist mit Drohgebärden gegen das Baltikum, aber auch gegen Deutschland - so etwa seitens des früheren Präsidenten Dmitri Medwedew. Ein zweiter Grund könnte im November Wirklichkeit werden: die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Er will von militärischer Verantwortung für Europa bekanntlich wenig wissen.

Dennoch darf dieses zusätzliche Geld nicht aus neuen Schulden bestehen. Es gibt im Haushalt noch genügend Einsparmöglichkeiten - bei klimaschädlichen Subventionen etwa oder beim Personal. Denn auch wenn die Koalition oft uneinig ist, in einem Punkt zieht sie in atemberaubender Art und Weise an einem Strang: bei der Schaffung zusätzlicher und teils überflüssiger Stellen. Überdies setzen neue Schulden in der benötigten Größenordnung eine Reform der Schuldenbremse voraus. Die gibt es nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Dagegen stehen CDU, CSU und FDP. Höhere Steuern lägen näher. In jedem Fall sollten die Verteidigungsausgaben aus dem regulären Haushalt beglichen werden.

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Zudem wird nicht kurzfristig mehr Geld benötigt, sondern dauerhaft. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach zuletzt von einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit Russland. Mit anderen Worten: Das, was wir nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 in Zentraleuropa noch als Anomalie betrachteten, der Einsatz von Waffengewalt zur Unterwerfung anderer Staaten, ist längst neue Normalität. Entsprechend müssen es auch die Instrumente sein, mit der wir ihr begegnen.