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Wachstum in Ostdeutschland : "Das schafft nicht einmal China"

Der Bundestag debattiert den Stand der Deutschen Einheit. Die Abgeordneten freuen sich über Industrie-Investitionen in Ostdeutschland, warnen aber vor Spaltung.

20.10.2023
2024-03-04T11:28:43.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Bernd Wüstneck

Die Fregatte "Hessen" legt am neuen Marinearsenal in Rostock-Warnemünde zur Instandsetzung an.

Sommer 2023: Marinesoldaten setzen beim Tag der offenen Tür im Stützpunkt Hohe Düne in Rostock-Warnemünde Besucher in Transportbooten zur ehemaligen MV-Werft über. Was dort zu sehen ist, kann als das Wunder von der Warnow bezeichnet werden. Die MV-Werft war am Ende. Jetzt ist wieder Leben in die von weitem sichtbaren Werft-Anlagen eingekehrt, nachdem der Bund einen Teil des Firmengeländes übernommen hat. Die Anlage heißt jetzt Marinearsenal. Rund 500 Mitarbeiter checken und reparieren dort die Schiffe der deutschen Marine.

Chipfabriken entstehen in Sachsen-Anhalt und Sachsen

Das Marine-Arsenal ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass es im Osten mit der Industrie aufwärts geht. In Magdeburg plant Intel eine Chip-Fabrik. 10.000 Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. In Dresden investiert der taiwanesische Halbleiter-Hersteller TSMC. In Mecklenburg-Vorpommern erweitert der Sandalen-Hersteller Birkenstock seine Produktion in Pasewalk und schafft 1.000 neue Arbeitsplätze. In Grünheide bei Berlin werden Tesla-Elektroautos produziert.


„Wir können stolz auf das sein, was wir geschafft haben.“
Carsten Schneider (SPD), Ostbeauftragter

Im Bundestag zeigte sich der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), mit der Entwicklung in den neuen Ländern zufrieden: "Diese Bilanz ist positiv." Das Parlament befasste sich mit dem als Unterrichtung vorgelegten Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2023. "Wir können stolz auf dieses Land sein. Wir können stolz auf das sein, was wir geschafft haben", erklärte der Ostbeauftragte. Der Bericht wurde an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen. Ein Entschließungsantrag der Linksfraktion, in dem unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro gefordert wird, wurde ebenfalls überwiesen.

Besonders hob Schneider die Rentenangleichung zwischen Ost und West hervor: Und zum ersten Mal sei das ostdeutsche Wirtschaftswachstum höher gewesen als in Gesamtdeutschland. Schneider sagte auch, dass es aber immer noch viele Missverständnisse zwischen Ost- und Westdeutschen gebe. Hannes Walter (SPD) verwies auf die Zuwächse beim Bruttoinlandsprodukt in den neuen Ländern. Brandenburg habe ein nominales Wirtschaftswachstum von 14 Prozent. "Das schafft nicht einmal China." Ostdeutschland sei schon lange auf dem richtigen Weg, und zwar auf der Überholspur.

Union kritisiert "falsche Prioritäten" der Ampel

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies auf die wirtschaftlichen Erfolge in den neuen Bundesländern hin. Beim Bruttoinlandsprodukt, bei der Arbeitsproduktivität und bei den verfügbaren Einkommen hätten die ostdeutschen Länder stark aufgeholt. "Die Arbeitslosenquote ist heute in Brandenburg, Thüringen und in Sachsen geringer als in Nordrhein-Westfalen", berichtete Habeck. Zugleich sagte er aber: "Wir erleben, dass die innere Einheit bis zum äußerten gespannt ist." Aus Unterschieden dürften keine Feindschaften werden. Auch Katrin Göring-Eckart (Grüne) warnte davor, in eine Lage abzurutschen, in der mehr das Trennende betont werde. "Vereint kann Deutschland mehr. Vor allem Demokratie und Freiheit", erklärte die Grünen-Politikerin.

Sepp Müller (CDU) warf der Ampel vor, die falschen Prioritäten zu setzen. Im Bericht der Bundesregierung würden die Vermögens- und Einkommensunterschiede zwischen West und Ost gar nicht erwähnt. Die Industrieprojekte im Osten seien zwar vorbildlich. Aber es müssten die gleichen Löhne wie im Westen gezahlt werden. "Wir brauchen im ganzen Land gleiche Löhne für gleiche Arbeit", forderte Müller, der einen Exodus der Industrie durch die hohen Strompreise befürchtet.


„Wir brauchen im ganzen Land gleiche Löhne für gleiche Arbeit.“
Sepp Müller (CDU)

Leif-Erik Holm (AfD) zeigte sich optimistisch, dass Ost- und West zusammenwachsen würden. Das größte Problem ist seiner Ansicht nach jedoch die "abenteuerliche Politik der Ampelregierung". Man erlebe Politikversagen von der Einwanderung bis zum Heizungsgesetz: "So kann es nicht gehen." Die Regierung habe den Blick für die Realitäten verloren. Gerald Ullrich (FDP) forderte, es müssten wesentlich mehr Ostdeutsche in Führungspositionen kommen. "Wir brauchen gleiche Lebensverhältnisse und gleiche Löhne für gleiche Arbeit", erklärte Ullrich. Auch die Migration sei ein Problem, "das wir lösen müssen". Gleichzeitig müsse die Fachkräfteproblematik gelöst werden.

Auch Dietmar Bartsch (Linke) forderte einen höheren Anteil von Ostdeutschen in Führungspositionen. In der Justiz betrage der Anteil nur 2,3 Prozent. "Wo ist der Plan, wie das verändert wird?", fragte Bartsch. Nur zwei von 35 beamteten Staatssekretären seien aus dem Osten. "Mehr Posten für den Osten" müsse das Ziel sein. Renteneinheit habe man in Wirklichkeit noch nicht. Nach 45 Jahren Lebensarbeitszeit seien die Ost-Renten immer noch 200 Euro niedriger als im Westen.

In dem Bericht wird auch auf die großen Anstrengungen des Bundes zur Verbesserung von Infrastruktur und zur Schaffung von Arbeitsplätzen hingewiesen. So wurden seit 2019 in Forschungs- und Bundeseinrichtungen in den neuen Ländern und Berlin 9.600 neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Rahmen des Kohleausstiegs sollen bis Ende des Jahres 2028 insgesamt 5.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Einrichtungen des Bundes in den Kohleregionen geschaffen werden.