Piwik Webtracking Image

Subventionsbericht der Bundesregierung : Finanzhilfen steigen massiv an

Die Ampel verdoppelt die Direktsubventionen an Unternehmen. Ökonomen sehen die Finanzhilfen kritisch.

23.09.2023
2024-03-04T11:24:11.3600Z
5 Min
Foto: picture alliance / ZB

Fast 10 Milliarden Euro an Subventionen soll der US-Konzern Intel laut Medienberichten für seine neue Chipfabrik in Magdeburg vom Staat bekommen.

Kaum ein Tag vergeht, an dem der US-Präsident nicht seine industriepolitische Agenda in den sozialen Medien preist. Mit seinem Inflation Reduction Act (IRA) geht Joe Biden einen industriepolitischen Weg, der in den USA seit den Zeiten von Ronald Reagan in 1980er Zeiten verpönt ist. Die Wirtschaft wird mit gezielten Subventionen vorangetrieben. Was Amerikas Präsident macht, will Deutschlands Wirtschaftsminister auch. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) verfolgt eine eigene Subventionsagenda.

Während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit seinem Wachstumschancen- und Zukunftsfinanzierungsgesetz eher auf moderate Steuersenkungen setzt, hat Robert Habeck sich mit umfangreichen Subventionen durchgesetzt. Laut dem kürzlich veröffentlichten 29. Subventionsbericht der Bundesregierung, der dem Bundestag als Unterrichtung vorliegt (20/8300), plant die Ampel-Regierung bis 2024 eine Verdopplung der veranschlagten Finanzhilfen auf 48,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2021. Zum Vergleich: Lindners Wachstumschancengesetz dürfte mit sieben Milliarden Euro an Steuersenkungen auskommen, sein Zukunftsfinanzierungsgesetz mit einer Milliarde Euro.

Doch dem wirtschaftspolitischen Mainstream im internationalen Vergleich - auch Großbritanniens konservative Regierung entdeckt gerade die seit Premierministerin Margret Thatcher jahrzehntelang verpönte Industriepolitik neu - folgt derzeit eher der Wirtschaftsminister, insbesondere mit den Zahlungen aus dem in großen Teilen vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) verwalteten Sondervermögen des Klima- und Transformationsfonds (KTF).

Sondervermögen aus Klima- und Transformationsfonds bildet Grundlage

Dieses Sondervermögen, das schon länger existiert und bis 2022 unter dem Namen "Energie- und Klimafonds" firmierte, bildet die finanzielle Grundlage für den Plan der Ampel-Koalition, Deutschland klimaneutral, digital und resilient in wichtigen Sektoren aufzustellen. Zwischen 2024 und 2027 will die Regierung so 211,8 Milliarden Euro in die deutsche Wirtschaft pumpen.

Dominika Langenmayr, Professorin für Finanzwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, sieht den Aufbau der Finanzhilfen kritisch. Die Ökonomin würde eher eine Lockerung der Steuerschraube befürworten. "Niedrigere Steuern beziehungsweise bessere Abschreibungsbedingungen haben den Vorteil, dass sie allen Unternehmen zugutekommen, das heißt der Staat nicht einzelne Unternehmen auswählt und fördert", erklärt sie und ergänzt mit Blick auf Finanzhilfen: "Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es zweifelhaft, dass eine Investition, bei der der Staat ein Drittel der Investitionskosten durch Subventionen trägt wie bei Intel, einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Aus meiner Sicht geht es hier eher um geopolitische und strategische Überlegungen, die ich nicht beurteilen kann."

Einer der großen Ausgabenpunkte des KTF mit 2,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr sind Zuschüsse an stromintensive Unternehmen. Diese sollen Kosten ausgleichen, die Unternehmen entstehen, wenn sie für CO2-Emissionen Zertifikate im Rahmen des europäischen Emissionshandels erwerben müssen. So soll vermieden werden, dass solche Unternehmen ins Ausland abwandern. Im Subventionsbericht der Bundesregierung landet diese Direktsubvention auf Rang 3 der größten Finanzhilfen des Bundes. Auf Rang 2 folgen im KTF mit vier Milliarden Euro die Subventionen für die internationalen Chiphersteller Infineon, Intel und TSMC, die Produktionsstätten in Deutschland aufbauen.

Größter Posten soll Förderung von energieeffizienten Gebäuden werden

Größter Posten im KTF wie bei den Finanzhilfen soll 2024 die Förderung der Energieeffizienz und erneuerbaren Energien von Gebäuden werden. 18,8 Milliarden Euro sind hier veranschlagt. Dass die Finanzhilfen des Bundes im Jahr 2024 noch einmal um 3,5 Milliarden Euro im Vergleich zu 2023 ansteigen sollen, erklärt die Regierung mit den Direktsubventionen für die Hersteller von Mikrochips und dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.

Andere Maßnahmen, die ebenfalls über den KTF finanziert werden, gelten nicht als Subventionen, beispielsweise die vier Milliarden Euro für die Eisenbahninfrastruktur des Bundes. Hintergrund dafür ist, dass es sich hier nicht um Zahlungen an ein privates Unternehmen handelt.

Bericht führt auch Steuervergünstugungen auf

Der Subventionsbericht listet indes nicht nur Finanzhilfen an Unternehmen auf, also Direktzahlungen an diese, sondern auch Steuervergünstigungen. Als größte Steuervergünstigung gelten dabei Ausnahmen bei der Besteuerung der Erben von Kapitalgesellschaften. Hier verzichtet der Bund jährlich auf 4,5 Milliarden Euro. Für Ökonomen ist diese Subvention nicht ganz einsichtig. "Es gibt kaum gute Gründe für die bestehenden Verschonungsbeträge im Betriebsvermögen", erklärte Jan Schnellenbach, Professor für Mikroökonomik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus im Juni im Interview mit dieser Zeitung. Schnellenbach weiter: "Dort, wo es für den Fortbestand von Unternehmen nötig ist, ist es besser, die Zahlung der Steuerlast über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, nicht aber die Steuerlast zu reduzieren."

Nach den Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer folgt auf Rang 2 der größten Steuersubventionen der ermäßigte Steuersatz für kulturelle und unterhaltende Leistungen (4,3 Milliarden Euro), auf Rang 3 die Steuerbefreiung der Zuschläge auf Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit (3,2 Milliarden Euro).

Insgesamt sollen die auf den Bund entfallenden Steuervergünstigungen 2024 leicht um 1,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Beginn der Wahlperiode 2021 auf 18,4 Milliarden Euro sinken. Nicht enthalten im Subventionsbericht sind Hilfen für Unternehmen, um die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine für die Energiepreise abzufedern. Sie belaufen sich laut Bundesregierung auf weitere rund 20,3 Milliarden Euro im Jahr 2023

Im Jahr 2023 hätten 83 der 138 Finanzhilfen mit einem veranschlagten Finanzvolumen von insgesamt 39 Milliarden Euro einen positiven Bezug zu den in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Umwelt- und Klimaschutzzielen aufgewiesen, heißt es in dem Subventionsbericht. "Ihr Anteil am Gesamtvolumen der Finanzhilfen beträgt im Jahr 2023 insgesamt 86,3 Prozent, was einem Anteil von 63,3 Prozent an den gesamten Subventionen (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen) entspricht."


„Niedrigere Steuern beziehungsweise bessere Abschreibungsbedingungen haben den Vorteil, dass sie allen Unternehmen zugutekommen.“
Dominika Langenmayr, Ökonomin

Nicht nur Ökonomen wie Dominika Langenmayr sehen Finanzhilfen kritisch, auch die Bundesregierung ist sich solcher Kritik durchaus bewusst. Sie selbst weist in ihrem Bericht auf die Schattenseiten von Subventionen hin. "Subventionen bedürfen stets einer besonderen Rechtfertigung und einer regelmäßigen Erfolgskontrolle. Denn eine dauerhafte Begünstigung einzelner Marktteilnehmer zu Lasten der Allgemeinheit hat in der Regel schädliche Folgen", schreibt sie und erklärt weiter: "Die Subventionierung kann durch die Veränderung der relativen Preise zu gesamtwirtschaftlichen Verzerrungen führen und dadurch Fehlallokationen von Ressourcen verursachen."

Sorge vor Verdrängung durch subventionierte Unternehmen

Ferner warnt die Regierung: "Subventionierte Unternehmen könnten andere, wettbewerbsfähige Unternehmen verdrängen. Auch droht die Gefahr einer sich verfestigenden Subventionsmentalität mit der Konsequenz, dass notwendige unternehmerische Anpassungen unterbleiben beziehungsweise Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative zurückgehen." Dies könne auch der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands insgesamt schaden. Folge könne "eine nachhaltige Beeinträchtigung von wirtschaftlichem Wachstum und Beschäftigung" sein. Subventionen sollten nach Überzeugung der Bundesregierung deshalb "grundsätzlich zeitlich befristet und degressiv ausgestaltet werden".

Dazu kommt: Anders als etwa Amerikas Präsident Biden will die deutsche Ampel-Koalition die Staatsausgaben und vor allem die Verschuldung begrenzen. So wird Deutschland gemäß der aktuellen Prognosen auch inklusive der Sondervermögen die Maastricht-Kriterien der EU einhalten und das gesamtstaatliche Defizit auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts deckeln.

Foto: Ifo-Institut / Stephan Roters

Balkendiagramm: EU-konforme Finanzpolitik

Foto: 29. Subventionsbericht der Bundesregierung / Stephan Roters

Balkendiagramm: Finanzhilfen vom Bund