Piwik Webtracking Image

Gastkommentare : Ist Bergbau in Deutschland eine Lösung für das Rohstoffproblem?

Sollte in Deutschland nach kritischen Rohstoffen gegraben werden? Gastkommentator Franz Herz spricht sich dafür aus, Martin Ferber dagegen.

28.08.2023
2024-03-04T12:26:17.3600Z
3 Min

Pro

Es geht ums Wissen

Foto: Egbert Kampfrath
Franz Herz
arbeitet bei der "Sächsischen Zeitung", Dresden
Foto: Egbert Kampfrath

Bergbau, das war doch unser Reichtum vergangener Epochen. Ja, Silber aus dem Erzgebirge hat Sachsen reich gemacht, Kohle und Stahl das Ruhrgebiet oder das Saarland. Aber heute leben wir doch von der Veredelung von Rohstoffen, die weltweit zu kaufen sind, oder vom Export von Blaupausen.

Das war viele Jahre vorherrschende Meinung in Deutschland. Das Interesse an Rohstoffgewinnung ließ spätestens nach der deutschen Einheit nach.

Aber ohne eigene Rohstoffbasis kommen die verarbeitende Industrie, Wissenschaft und Forschung doppelt in Gefahr. Erstens, weil Deutschland und Europa abhängig sind von Lieferanten, die zuerst ihre eigenen Interessen verfolgen. Wie schnell ein großer Lieferant ausfallen kann, zeigen die aktuellen Beziehungen zu Russland.

Langfristig noch gefährlicher ist eine zweite Gefahr. Ohne eigene Rohstoffbasis gehen die damit verbundenen Kenntnisse verloren. Eine Region, die auf Dauer keinen eigenen Bergbau hat, wird auch keine Kapazitäten für berufliche oder universitäre Bildung in diesem Berufszweig mehr halten können. Junge Leute werden sich anders orientieren. Studierende und Forscher, die sich dennoch für Rohstoffe interessieren, werden dorthin gehen, wo sie ihr Wissen anwenden können, Forschungsmöglichkeiten finden und ihre Kenntnisse gefragt sind.

Sie ziehen dann weiteres Wissen mit sich, wenn es um die Aufbereitung und den Einsatz der Materialien geht. Das geht nicht nur Bergleute und Mineningenieure an. Wollen Deutschland und Europa eine führende Industrieregion bleiben, brauchen sie das Wissen um und die Erfahrung mit Rohstoffen. Wir müssen dafür weiterhin in die Tiefe gehen, in die Tiefe der Erde und in die Tiefe des Know-hows.

Contra

Raubbau und Risiko

Foto: pAxentis.de
Martin Ferber
arbeitet bei "Badische Neuste Nachrichten", Karlsruhe
Foto: pAxentis.de

Der Mensch hat das biblische "Macht Euch die Erde untertan" nicht nur als Ermächtigung, sondern geradezu als Freibrief ausgelegt. Im Laufe der Zeit, verschärft seit Beginn der Industrialisierung, hat er die Erde ausgebeutet, überirdisch wie unterirdisch, und damit ihr Antlitz verändert. Die Folgen der Gier nach Rohstoffen und Bodenschätzen für Umwelt, Klima und Artenvielfalt sind auch in Deutschland zu besichtigen. Der Braunkohletagebau am Niederrhein, in Mitteldeutschland und der Lausitz hat gewaltige Mondlandschaften hinterlassen und massiv in den Grundwasserhaushalt eingegriffen, die Renaturierung kostet Milliarden. Und der Steinkohleabbau an Ruhr und Saar ist zwar Geschichte, doch die sogenannten Ewigkeitslasten müssen noch viele Generationen aufbringen.

Diese Erfahrung hindert den Menschen allerdings nicht, weiter Raubbau an der Natur zu betreiben. Nun ist Lithium, das es beispielsweise auch in großen Mengen im Oberrheingraben in Thermalwasser gibt, ins Visier geraten. Lithium wird für die Produktion von Akkus benötigt, ohne die kein E-Auto fährt. Rohstoffautarkie heißt das Zauberwort, man will unabhängig werden. Doch der Preis ist hoch, zu hoch. Der Oberrheingraben ist dicht besiedelt und schon jetzt das Gebiet mit den meisten Erdbeben in Deutschland; das Abpumpen des Wassers könnte weitere tektonische Verschiebungen auslösen und die Zahl der Beben erhöhen.

Mehr zum Thema

Sandra Detzer im Portrait
Sandra Detzer im Interview: "Wir haben die Warnungen in den Wind geschlagen"
Kritische Rohstoffe sind das Öl des 21. Jahrhunderts, meint die Grünen-Wirtschaftexpertin Sandra Detzer. Sie sieht die Politik vor großen Herausforderungen stehen.

Diese Risiken sollten ernst genommen werden, ebenso die Ängste der Anwohner. Wäre es daher nicht sinnvoller, auf geschlossene Wertstoffkreisläufe zu setzen und das Recyceln von Alt-Batterien zu forcieren statt immer wieder die Erde auszubeuten? Auch so kann man Rohstoffe gewinnen.