Piwik Webtracking Image

Gastkommentare : Subventionen für Chipfabriken? Ein Pro und Contra

Soll der Staat milliardenschwere Subventionen für die Ansiedlung von Chipfabriken in Deutschland zahlen? Thomas Sigmund und Birgit Marschall im Pro und Contra.

14.12.2023
2024-03-04T11:35:20.3600Z
2 Min

Pro

Aus drei Gründen zu rechtfertigen

Foto: Handelsblatt/Marc-Steffen Unger
Thomas Sigmund
arbeitet beim "Handelsblatt" in Düsseldorf
Foto: Handelsblatt/Marc-Steffen Unger

Auf den ersten Blick scheinen die milliardenschweren Subventionen für die Chipfabriken gegen jeden wirtschaftlichen Sachverstand zu verstoßen. Ausgerechnet ein SPD-Kanzler bietet, etwas marxistisch formuliert, hochprofitablen Großkapitalisten aus den USA die Steuergelder ihrer hart arbeitenden Wähler an. Was ließe sich nicht alles damit für den Mittelstand oder das Handwerk finanzieren. Doch bei näherem Überlegen lassen sich die Investitionen aus drei Gründen rechtfertigen.

Erstens: Auch der Mittelstand profitiert von den Subventionen. Es entstehen große Wertschöpfungsketten und alle, auch kleinere Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister, können mitverdienen. Läuft es gut, könnte Deutschland zu einem der großen Halbleiter-Produktionsstandorte weltweit werden. Unternehmen wie Infineon oder Wolfspeed haben bereits in Deutschland investiert.

Zweitens: Die Investitionen fließen in wirtschaftsschwache Regionen. Viele Menschen werden darin auch eine Zukunftsperspektive sehen. Und wählt dann der eine oder andere deshalb keine extremistische Partei, ist es umso besser.

Drittens: Natürlich ist die Abhängigkeit von China bei der Chipproduktion nicht in Euro und Cent messbar, erst recht nicht in der Höhe der 9,9 Milliarden Euro, die an den US-Chiphersteller Intel fließen sollen. Doch der Gasmangel nach Beginn des russischen Angriffskriegs sollte uns eine Lehre sein. Die deutsche Wirtschaft leidet noch heute unter den hohen Energiepreisen. Was machen wir aber, wenn China Taiwan angreift? Kaufen wir dann Peking keine Halbleiter mehr ab? Erhält die deutsche Wirtschaft keine Mikrochips mehr, wird uns der Ausfall der Nordstream-Pipelines überspitzt formuliert wie eine Petitesse vorkommen.

Contra

Fragwürdige Hilfe von Anfang an

Foto: Axel Schön
Birgit Marschall
arbeitet bei der Rheinischen Post in Düsseldorf
Foto: Axel Schön

Trotz knapper Kasse hält die Ampelkoalition beharrlich an Milliarden-Subventionen für neue Chipfabriken in Deutschland fest, vor allem die Zehn-Milliarden-Euro-Hilfe für die Intel-Fabrik in Magdeburg. Die Regierung ist sogar bereit, sich massiven Ärger mit Industrie, Landwirten und Verbrauchern einzuhandeln, die nach der Einigung zum Bundeshaushalt 2024 jetzt bluten sollen. Sie alle müssen höhere Energiepreise hinnehmen oder Kürzungen von Steuervorteilen, die ohne die Intel-Milliarden möglicherweise unnötig gewesen wären.

Fragwürdig war die Intel-Hilfe jedoch ohnehin von Anfang an. Ja, Europa und Deutschland müssen unabhängiger von chinesischer Chipproduktion werden. Ja, andere Wirtschaftsblöcke subventionieren neue Fabriken ebenfalls massiv. Doch es gibt eine Fülle von Gegenargumenten. Neben China gibt es die freiere Chiphochburg Südkorea, die liefern kann. Grundsätzlich sollte eine Volkswirtschaft ihre Rahmenbedingungen so verbessern, dass Investoren von allein kommen. Die Subvention für Intel ist riskant, weil der US-Konzern schwächelt. Verliert er den Konkurrenzkampf mit Taiwan oder Korea, wären die Milliarden verloren.

Mehr zum Thema

Die Bundesminister auf der Regierungsbank im Plenum des Deutschen Bundestages.
Einigung im Haushaltsstreit: Ampel einigt sich auf Sparpaket
Die Koalition einigt sich auf einen Haushalts-Pfad, um die Schuldenbremse 2024 wieder einzuhalten. Die Union wähnt einen Trick.
Timo Wollmershäuser im Portrait
Konjunktur: Sparen kostet Wachstum
Ökonomen erwarten, dass die Wirtschaft 2024 und 2025 wegen des Sparpakets der Ampel-Koalition weniger stark wächst.
Das Bild zeigt eine Winterlandschaft mit verschneiten Dächern.
Haushaltsfinanzierungsgesetz: Heizen und Tanken werden teurer
Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz legt die Ampelkoalition erste Maßnahmen für 2024 fest, darunter steigende CO2-Preise.

Sie ist auch absurd hoch: Jeder der entstehenden 10.000 Arbeitsplätze wird mit einer Million Euro gestützt. Die zehn Milliarden wären für Bildung viel besser ausgegeben. Mittelständler reiben sich die Augen und fragen sich, warum sie mit noch höheren Energiekosten kämpfen müssen, während Konzernen Geld hinterhergeworfen wird. Der Staat sorgt einfach nicht für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen. Und nicht zuletzt: Die Ampel züchtet Nachahmer. Andere Konzerne haben ihrerseits längst Milliardenhilfen erpresst.