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Afghanistan-Untersuchungsausschuss : Die Geschichte einer Niederlage

Vor drei Jahren verhandelte die Regierung Afghanistans mit den Taliban über einen Frieden. Wie das ablief, berichteten jetzt Zeugen im Untersuchungsausschuss.

10.11.2023
2024-02-26T16:45:39.3600Z
3 Min

Nader Nadery, afghanischer Menschenrechtler und ehemaliger Berater des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani, kann seine Tränen nicht mehr zurückhalten, als er an seinen letzten Tag in Kabul denkt. Er habe im Spätsommer 2020 nach Doha reisen müssen, um mit den Taliban zu verhandeln, erzählt er am Donnerstag vor dem 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan. Der Polizist am Eingang des Flughafens habe ihn erkannt. "Bitte beenden Sie das Ganze, zu viele sind gestorben", habe er ihn angefleht. "Seitdem verfolgen mich seine Augen jede Minute", sagt Nadery und beginnt zu weinen.

Unterstützung vom Auswärtigen Amt

Seine Schilderungen vom Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Delegation und den radikalislamischen Taliban decken sich größtenteils mit den Aussagen des Zeugen vor ihm. Der deutsche Berater der gemeinnützigen Nichtregierungsorganisation Berghof Foundation sollte mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes (AA) die innerafghanischen Friedensverhandlungen zum Erfolg führen, etwa durch Trainings der Verhandlungsteams oder Formulierungshilfen. Die Foundation sei von beiden Konfliktparteien um Unterstützung gebeten worden, sie habe sich neutral verhalten, um das Vertrauen beider Seiten zu gewinnen. Nadery ist sich allerdings sicher, "dass viele in unserer Delegation das als Beitrag der Bundesregierung wahrgenommen haben".

Foto: picture alliance/EPA-EFE

Die Chefunterhändler des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban im Februar 2020: Der Vertrag verpflichtete die Taliban zu Friedensgesprächen mit der afghanischen Regierung.

Dass die Taliban überhaupt innerafghanische Friedensverhandlungen führen würden, hatten sie den USA im Februar 2020 im sogenannten Doha-Abkommen zugesichert, in dem beide den Rückzug ausländischer Truppen aus Afghanistan regelten. Das Doha-Abkommen sei die Voraussetzung für die Gespräche gewesen, sagt im Ausschuss auch der Vertreter der Berghof Foundation. Doch die Interessen seien so weit auseinandergegangen, dass "eine kooperative Lösung" kaum möglich gewesen sei. "Die Taliban haben luftige Versprechungen gemacht." Nadery meint, die Taliban hätten von Anfang an kein Interesse an Verhandlungen gehabt. Ihre Vertreter seien oft nicht zu den Terminen erschienen, und wenn, dann hätten sie sich geweigert, sich zur Tagesordnung zu äußern.

Geregelte Übergabe an Taliban scheiterte

Auch habe der afghanische Präsident Ghani unrealistische Erwartungen gehabt. Die Zweifel an den Wahlergebnissen hätten den Regierungsapparat in Kabul zudem über Monate gelähmt, erinnern sich die Zeugen. Wertvolle Zeit sei vergeudet worden. In dieser Zeit habe die Bevölkerung das Vertrauen in die Regierung verloren.

Das Doha-Abkommen

Zeitpunkt des Abschlusses:  Die USA und die radikalislamischen Taliban unterzeichneten es im Februar 2020, damals noch unter der Präsidentschaft Donald Trumps, in Doha (Katar).

Inhalt des Vertrages: Im Doha-Abkommen vereinbarten beide den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan. Dies geschah unter Ausschluss der Zentralregierung in Kabul und der internationalen Partner. Die Taliban sollten im Gegenzug Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung beginnen, die jedoch scheiterten. 



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Ab Mai 2021 eroberten die Taliban schließlich rasant fast das ganze Land und standen schließlich vor den Toren der Hauptstadt Kabul. Nadery sagt, er habe eingesehen, dass die Regierung keine Überlebenschance mehr hatte. Ghani sei bereit gewesen zurückzutreten, wollte aber die Macht nicht den Taliban übergeben. Daraufhin hätten die USA, zusammen mit dem ehemaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und dem Leiter des Friedensrates Abdullah Abdullah, eine geregelte Machtübergabe verhandeln wollen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Auch die Taliban seien dazu bereit gewesen. Doch Ghani sei unerwartet geflüchtet und die Regierung zusammengebrochen. So scheiterte am Ende auch der letzte Versuch einer geregelten Übergabe.