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Untersuchungsausschuss Afghanistan : "Merkel war gutwillig, hatte aber keinen Einfluss"

Zwei afghanische Ex-Minister werfen dem Westen und der eigenen Regierung Politikversagen vor. Niemand habe einen Plan für die Zeit nach dem Truppenabzug gehabt.

02.02.2024
2024-02-02T14:09:48.3600Z
2 Min

Im Afghanistan-Untersuchungsausschuss hat am Donnerstag die ehemalige stellvertretende Flüchtlingsministerin Afghanistans, Alema Alema, Vorwürfe gegen die eigene Regierung und die westlichen Staaten erhoben. Es habe ein "Politikversagen aller Beteiligten" während der 20-jährigen internationalen Präsenz im Land gegeben, sagte die Politikerin, die seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 in Deutschland lebt. Sie warf den westlichen Staaten unter anderem vor, nach der Unterzeichnung des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban, das im Februar 2020 den Abzug der US-Truppen regelte, keinen Druck auf die Taliban ausgeübt zu haben.

Kritik an Zurückhaltung der Europäer

Der ehemalige afghanische Außenminister Mohammed Haneef Atmar bedankte sich im Ausschuss zunächst bei den deutschen Soldaten, Polizisten und Entwicklungshelfern für ihren Einsatz. Afghanistan habe in diesen 20 Jahren in Sachen Staatsbildung, Menschenrechte und gesellschaftliche Entwicklung enorme Fortschritte gemacht. Deutschland sei ohnehin sehr gutwillig gewesen, betonte Atmar. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei die einzige Regierungschefin gewesen, die sich getraut habe zu sagen, dass der Prozess in die falsche Richtung laufe. Allerdings habe sie keinen Einfluss gehabt. Die afghanische Regierung habe gehofft, dass die Europäer sich gegen die einseitigen Entscheidungen der US-Administration stellen würden. Das sei aber nicht geschehen, worunter auch die Glaubwürdigkeit des Westens gelitten habe.

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Die afghanische Republik sei nicht militärisch untergegangen, sondern politisch, urteilte Atmar daher. Niemand habe einen Plan für einen friedlichen Übergang nach dem Truppenabzug gehabt. Der damalige afghanische Präsident Aschraf Ghani habe US-Außenminister Antony Blinken auch erst einen Tag vor dem Einmarsch der Taliban in Kabul mitgeteilt, dass er Macht an die Taliban übergeben wolle.

Atmar schilderte dem Ausschuss ausführlich, was sich danach im August 2021 im politischen Kabul abspielte - wie der Präsident flüchtete, die Botschaften überstürzt evakuiert wurden und Schüsse auf den Straßen fielen.

Ex-Ministerin Alema betonte, dass noch immer viele bedrohte Menschen in Afghanistan auf eine Evakuierung warteten. Sie appellierte an die Bundesregierung, ihre Versprechen einzuhalten und den Menschen eine Ausreise zu ermöglichen.