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Gastkommentare : Pro und Contra: Milliardengrab Agrarsubventionen?

Wie sinnvoll sind die Agrar-Staatshilfen? Anne Kokenbrink will mehr Freiräume für die Bauern, Wolfgang Mulke findet Subventionen nötig: Ein Pro und Contra.

19.01.2024
2024-03-11T12:21:22.3600Z
3 Min

Pro

Mehr Freiraum bitte

Foto: Frank Röth
Anne Kokenbrink
arbeitet bei der "Frankfurter Allgemeine Zeitung."
Foto: Frank Röth

Für die deutschen Bauern geht es in diesen Tagen um alles oder nichts. Die Zukunft der Landwirtschaft stehe auf dem Spiel, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Der Wegfall der Agrardieselbeihilfe ist dabei nach Einschätzung von Agrarökonomen nicht existenzbedrohend, auch wenn das oft behauptet wird. Vielmehr beklagen Landwirte das Hin und Her in der Agrarpolitik, fühlen sich von Gesetzen und Verordnungen gegängelt. Dabei stecken sie in der Subventionsfalle, und viele von ihnen sind nicht glücklich über die Summen, die neben dem Agrardiesel fließen. Denn sie bedeuten nicht zuletzt viel Agrarbürokratie. Einige Betriebe denken bereits darüber nach, auf die Direktzahlungen zu verzichten, um wieder flexibler wirtschaften zu können.

Dennoch beziehen Haupterwerbsbetriebe noch immer etwa die Hälfte ihres Einkommens aus Staatshilfen. Auch nach der jüngsten Agrarreform in Brüssel bemisst sich die Höhe der Zahlungen vor allem nach der Betriebsgröße, solange die Bauern gewisse Auflagen einhalten.

Eine Veränderung der Agrarsubventionen ist daher überfällig. Die Politik sollte den Bauern weniger, aber klare Leitplanken setzen. Für öffentliche Leistungen wie Landschaftspflege oder Umweltschutz sind maßvolle und gezielte Subventionen sinnvoll. Es braucht aber mehr Anreize, um etwa ökologische Leistungen attraktiv zu machen. Dann gäbe es auch mehr Akzeptanz für die Zahlungen. Bisher haben sich die Bauernvertreter aber erfolgreich gegen tiefgreifende Änderungen gewehrt, auch in Nachbarländern. Sicherlich bräuchten die Betriebe Zeit, sich auf den Wegfall der Hilfen einzustellen. Brüssels jüngste Reform zeigt aber, dass eher ein schleichender als abrupter Ausstieg aus den Direktzahlungen wahrscheinlich ist.

Contra

Hilfen sind nötig

Foto: privat
Wolfgang Mulke
arbeitet als freier Journalist.
Foto: privat

Kein Wirtschaftszweig wird mit so unterschiedlichen Ansprüchen konfrontiert wie die Landwirtschaft. Sie soll die Ernährungsgrundlagen sichern, die Landschaft schützen, auf dem Weltmarkt bestehen, preisgünstige Lebensmittel erzeugen, für mehr Tierwohl sorgen, Umweltschäden in Grenzen halten oder ländliche Räume am Leben halten. Schon allein die Fülle der gesellschaftlichen Ansprüche an die Bauern legt nahe, dass sie zu Recht eine erhebliche Förderung beanspruchen können.

Es kann daher nicht um die Frage gehen, ob die Landwirtschaft subventioniert werden sollte, sondern darum, was und wer unterstützt wird. Die Debatte darüber wird indes stark von politischen Wertvorstellungen überlagert. Dazu tragen die Bauernverbände gehörig bei. Zumindest der größte davon hat in erster Linie das Wohl leistungsstarker Agrarbetriebe im Blick, zeichnet öffentlich aber gerne das Bild der bäuerlichen Hoflebens.

Hier liegt ein erster Ansatz für eine Reform der Subventionspraxis. Große Betriebe mit weiten Flächen sind oft auch ohne Staatshilfe profitabel. Hier bietet sich ein beträchtliches Einsparpotenzial, wenn es keine oder nur gering an die bewirtschaftete Fläche gekoppelte Förderung mehr gäbe. Aus so gewonnenen Spielräumen ließen sich gezieltere Leistungen für andere gesellschaftlich erwünschte Aufgaben der Bauern finanzieren. Da hier vor allem Europa bestimmt, sind die Chancen darauf indes zumindest absehbar nicht sehr hoch.

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Doch national ließe sich eine bessere, auch transparentere Förderung organisieren. Wege zu einem Interessenausgleich müssten auch nicht erst gesucht werden. Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat sie schon vor Jahren beschrieben.