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Brücken zum Wachstum

WIRTSCHAFT Fraktionen streiten über den Jahreswirtschaftsbericht und das Konjunkturpaket

26.01.2009
2023-08-30T11:23:45.7200Z
4 Min

Je weniger es zerredet wird, desto größer wird die Wirkung dieses Pakets sein": Seit dem vergangenen Donnerstag ist das zweite große schwarz-rote Konjunkturprogramm auf dem parlamentarischen Weg - und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Abgeordneten bei ihren Beratungen das Aufschnüren verkneifen. Dank der Konkurrenzhakelei zwischen Grünen und FDP sind die Chancen dafür aus Sicht von Union und SPD günstig.

Jenseits der Sachauseinandersetzung herrschte gespannte Erwartung, wie Bündnis 90/Die Grünen bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht 2009 der Bundesregierung (16/11650) am 22. Januar begründen würde, dass sie einerseits das Konjunkturpaket im Bundestag ablehnen, andererseits aber im Bundesrat zustimmen würden. Die Grünen-Abgeordnete Kerstin Andreae zeigte sich präpariert: Nur so sei zu verhindern, dass der Bundesrat Änderungen angehe. Wenn das so kommen würde, dann würden aber die Grünen "der Großen Koalition nicht zutrauen, dass sie den Steuersenkungsirrsinn der FDP verhindert".

Schärfere Kontrolle gefordert

Eine weitere Begründung hatte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast zwei Tage davor gegeben. Sie wollte der FDP nach deren Hessen-Erfolg die Demonstration der stärkeren politischen Muskeln vermasseln: "Die Regierung Westerwelle hat nur einen Tag gedauert." Folge dieser Schadenfreude: das Handicap bei der Bundestagsdebatte. Was Laurenz Meyer (CDU) denn auch süffisant in Richtung Andreae lästern ließ: "Da muss man kleinkariert werden." Die Grüne hatte "diesen Unsinn Abwrackprämie" aufgespießt, die "hektischen Konjunkturpakete" als "mager" eingestuft. 100 Euro Kinderbonus ohne Eingrenzung auf geringe Einkommen: "Das ist schlichtes Geld verbrennen." Der Bundeswirtschaftsminister stelle sich als "Lobbyist für Kohle und Atom" hin, sei also ein "rückwärtsgewandter Politiker", wo doch "die Umweltmärkte die Zukunftsmärkte" seien. Abgaben senken? "Nur für kleine Einkommen und nicht für alle."

Oskar Lafontaine (Linksfraktion) unterstellte der Großen Koalition der "Veruntreuung von Milliarden an Steuergeldern". Sie stütze Banken, versage indes völlig bei der Aufstellung von Regeln für die Finanzmärkte - kein Riegel, dass große Risiken weiter versteckt werden könnten, kein Verbot von Schrottpapieren, kein Trockenlegen von Steueroasen. Daher forderte die Linksfraktion in einem Antrag (16/11651) nach schärferer Kontrolle der Finanzinstitute.

Paket zu klein

Lafontaine bezog sich bei seinem Abwatschen gerne auf Aussagen von Ex-Kanzler Helmut Schmidt - auch als er den Umfang des Pakets kritisierte: "Völlig unzureichend, um dem Konjunktureinbruch gegenzusteuern". Damit sei die Regierung "verantwortlich für den deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit". Statt der 80 Milliarden für zwei Jahre seien mindestens 100 Milliarden pro Jahr nötig. Überdies prangerte Lafontaine an, dass die Koalition nichts gegen die "Ungleichgewichte bei Vermögen und Einkommen" unternehme. " Ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem", forderte Ernst Burgbacher (FDP) und kam damit schnell auf die liberale Standardforderung: mehr Brutto vom Netto. Im Konzept der Regierung machte er da "weitgehend Fehlanzeige" aus: "Sie tun viel zu wenig, um die Binnennachfrage anzukurbeln." Mindestens müssten die ab Jahresmitte vorgesehenen Entlastungen vorgezogen werden. Burgbacher hielt Schwarz-Rot vor, in den vergangenen "guten Zeiten in keiner Weise für schlechte Zeiten vorgesorgt" und eine "weitgehend verfehlte Wachstums- und Reformpolitik" betrieben zu haben - von Mindestlohn über Mindestarbeitsbedingungsgesetz bis Unternehmensteuer und Erbschaftsteuer.

"Wie gut ist es, dass die FDP in diesen schwierigen Zeiten nicht regiert", wartete Ludwig Stiegler (SPD) sogleich mit seiner Retourkutsche auf. Gerade mit Mindestlöhnen werde erreicht, "dass der Anteil der Arbeitnehmer am Volksvermögen wieder wächst". Stiegler warnte vor protektionistischen Äußerungen. Wer darauf verweise, dass die Autoprämie auch ausländischen Herstellern nutze, rede "saudumm daher". Deutschland werde "durch entschiedenes Handeln, nicht durch liberales Laisser-faire aus der Krise herauskommen". Michael Meister (CDU/CSU) griff die Warnung vor Protektionismus auf. Auf eine "international abgestimmte Zusammenarbeit" komme es an. Hat die Bundesregierung zu spät gehandelt? "Früher als viele andere", meinte Meister - das nun eingebrachte Paket sei nicht die erste Maßnahme. Zu mickrig? Das Programm sei "zielgenau" darauf angelegt, "möglichst viel Wirkung" zu erzielen. Die Regierung erweise sich "als Anker der Stabilität und des neuen Vertrauens".

Schnell, zielgerichtet, dauerhaft

Als Repräsentant des derat gelobten Kabinetts hatte Glos die Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, der eine tiefe Rezession sieht, eröffnet. Das Konjunkturpaket solle "eine Brücke bauen für Wachstum und Beschäftigung", verwies er auf den Leitgedanken. Den 80 Milliarden - von Investitionen und Entlastungen - gab er das Prädikat: "schnell, zielgerichtet, dauerhaft wirksam."

Er beschwor "Optimismus und Zuversicht". Denn: "Eine Katastrophe haben wir nicht, wohl aber eine wirtschaftlich schwierige Phase." Glos machte geltend, dass Deutschland in diese Krise mit einem "starken Arbeitsmarkt" gehe; dass die in den letzten Jahren erfolgte Haushaltskonsolidierung eine solide Basis biete; dass die "Unternehmen gut aufgestellt" seien - ob Eigenkapitalausstattung, ob Position auf dem Weltmarkt. Seine Verheißung: Dass es "in der zweiten Hälfte des Jahres wieder besser wird".