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Zur Abwehr des Terrorismus

STAATSSCHUTZSTRAFRECHT Opposition: Gesetz ist nicht notwendig. »Gesinnungsstrafrecht« kritisiert

02.02.2009
2023-08-30T11:23:45.7200Z
3 Min

Ein Deutscher erhält den Auftrag, in seinem Heimatland einen Sprengstoffanschlag auf eine Bundeswehrkaserne und auf einen US-Luftwaffenstützpunkt zu verüben. In Vorbereitung der Tat lässt sich der Mann in einem islamistischen Ausbildungslager im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet im Umgang mit Schußwaffen und Sprengstoff schulen. Das soll künftig strafbar sein, finden die beiden Regierungsfraktionen. Sie haben zu diesem Zweck einen Gesetzentwurf (16/11735) vorgelegt, der die Verfolgung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten leichter machen soll. Nach Ansicht der Koalition besteht die Gefahr von Terroranschlägen unverändert fort. Künftig soll Schwarz-Rot zufolge mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden, wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet.

Juristisches Neuland

Union und SPD sehen vor, dass von diesem Tatbestand Aktivitäten von Menschen erfasst sein sollen, die entweder als Ausbilder in einem sogenannten "Terrorcamp" tätig sind oder sich darin ausbilden lassen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen. Der Bundesrat hat zum Thema Terrorcamp einen ähnlichen Gesetzentwurf (16/7958) vorgelegt. Mit Strafe bedroht soll weiterhin die Herstellung oder das Überlassen bestimmter Stoffe (beispielsweise Viren, Gift und radioaktive Materialien) sein. Nach dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen soll weiterhin derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden, der in der Absicht, eine schwere Gewalttat zu begehen, Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung aufnimmt oder unterhält.

Ferner wollen Union und SPD eine Vorschrift einführen, die das Anpreisen von Schriften - beispielsweise im Internet -, die ihrem Inhalt nach geeignet sind, als Anleitung zu schweren Gewalttaten zu dienen, mit bis zu drei Jahren Haft bestrafen soll. Erfasst werden soll beispielsweise der Bau von Bombenanleitungen. Webseiten einer islamistischen oder rechtsextremistischen Organisation kämen in Frage.

In der Debatte am 29. Januar sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), Deutschland stünde "im Fokus des Terrorismus". Eine "Lücke im Staatsschutzstrafrecht" gelte es zu schließen, ohne dabei rechtsstaatliche Grundsätze aufzugeben. Es gebe zunehmend "lose Netzwerke" oder Einzeltäter im Terrorismus, und darauf habe das Strafrecht keine Antwort.

Die Bundesjustizministerin sagte, man wolle kein Gesinnungsstrafrecht. Niemand solle wegen seiner Meinung bestraft werden. Zypries räumte ein, es sei "ein Stück juristisches Neuland", das man betrete. Man bewege sich im Vorfeld einer Rechtsverletzung. Das sei aber im Strafrecht nichts Ungewöhnliches.

Jürgen Gehb (CDU) gab zu, der Gesetzentwurf sei verfassungsrechtlich nicht ohne Risiko. Man dürfe aber bei Gesetzen, die potenziell in Grundrechte eingriffen, nicht bereits "aus Angst vor dem Tode Selbstmord begehen". Er traue den Strafverfolgungsbehörden zu, das Kriterium der "Absicht" nachzuweisen. Weiterhin sei ein Richter durchaus in der Lage, aus der Gesamtschau der Umstände seine Schlüsse zu ziehen. Gehb warnte davor, Hysterie zu schüren. Ein "Gesinnungsstrafrecht" gebe es nicht.

Joachim Stünker (SPD) sprach sich ebenfalls für den vorgelegten Gesetzentwurf aus. Er betonte, die "konkrete Gefährlichkeit der Täter" sei ausschlaggebend. Das habe nichts mit Gesinnungsstrafrecht zu tun. An die drei Oppositionsfraktionen richtete er die Bemerkung: "Wenn irgendwo bei uns die erste U-Bahn hochgeht, werden Sie die ersten sein, die einen Untersuchungsausschuss fordern."

Jörg van Essen (FDP) nannte den Gesetzentwurf verfassungsrechtlich "auf Kante genäht". Das deutsche Strafrecht sei ausreichend, wie sich im Fall der zwei Kofferbomber - die Männer hatten am 31. Juli 2006 in zwei Zügen Bomben gelegt, die nicht funktionierten - bewiesen habe. Strafverfolgungsbehörden seien die beabsichtigten neuen Vorschriften nicht zuzumuten. Der FDP-Abgeordnete warf der Koalition "Symbolgesetzgebung"vor.

Ulla Jelpke (Linksfraktion) war der Meinung, die Koalition wolle "ganz eindeutig Gesinnung bestrafen". Das Gesetz sei unpräzise in den Formulierungen. "Solche Gesetze sorgen nicht für Sicherheit, sondern für den weiteren Abbau von Bürgerrechten." Die Linksfraktion werde ein derartiges Gesetz nicht mittragen.

Kritik vom Anwaltverein

Wolfgang Wieland (Grüne) erklärte, seine Fraktion erkenne keine Strafbarkeitslücken. Die Große Koalition wolle "die Vorbereitung der Vorbereitung" bestrafen. Dies gehe "wirklich in Richtung Gesinnung" und deswegen lehne seine Fraktion den Gesetzentwurf ab.

Kritik gibt es auch vom Deutschen Anwaltverein. Mit dem Entwurf würden auch "rechtsgutneutrale Alltagshandlungen" ins Visier genommen, kritisiert die Interessenvertretung der Anwaltschaft. Beispielsweise könne der Besuch einer Flugschule, das Sich-Einprägen eines S-Bahn-Netzplans, ein Handy-Kauf oder das Sparen großer Geldsummen strafbar sein, wenn diese Handlungen durch die Annahme eines "bösen Vorsatzes" als tatbestandsmäßig qualifiziert werden.