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Was von Weimar übrig ist

Vergleich Die Reichsverfassung im Grundgesetz von 1949 und von 2009

02.02.2009
2023-08-30T11:23:46.7200Z
2 Min

Die Weimarer Republik steckt nicht nur aus historischen Gründen indirekt in der Verfassung der Bundesrepublik. Es gibt - zumindest formale - Ähnlichkeiten von Reichstag, Reichspräsident und Reichsregierung mit den obersten Staatsorganen des Grundgesetzes und in beiden Verfassungen einen Grundrechtskatalog, wenn auch an unterschiedlichen Stellen.

Einige Teile der Reichsverfassung (WRV) sind zudem immer noch geltendes Recht - um genau zu sein fünf Artikel: "Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes", heißt es in Artikel 140 Grundgesetz. Der Grund für die Einbeziehung: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten sich nicht auf eine Linie einigen können und auf die Reichsverfassung verwiesen.

Hinter den knappen Worten von Artikel 140 Grundgesetz verbergen sich Vorgaben, die den staatlichen Umgang mit Religion und Weltanschauung in der Weimarer Zeit regulierten und auch das heutige Staatskirchenrecht maßgeblich mitbestimmen.

Sicherung der Glaubensgleichheit

So folgt der besondere Schutz des Sonntages, die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat sowie das Recht von Religionsgemeinschaften, in Gefängnissen oder Krankenhäusern zu agieren "soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht" aus den Artikeln 139, 137 und 141 WRV.

Auch die Möglichkeit der Kirchen, Steuern zu erheben, hat seine Grundlage in den einbezogenen Normen - Artikel 137 WRV erlaubt dies für solche Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Das sind zum Beispiel die katholische und evangelische Kirche und die Jüdischen Gemeinden.

Neben diesen eher organisatorischen Punkten sichern die 90 Jahre alten Vorschriften auch die Glaubensgleichheit; sie sind deshalb im Zusammenhang mit Artikel 4 Grundgesetz zu lesen, in dem das Grundrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit festgeschrieben ist.

Die übernommenen Vorschriften sind kein Verfassungsrecht "zweiter Klasse". Schon 1965 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt: "Die inkorporierten Artikel (...) stehen gegenüber den anderen Artikeln des Grundgesetzes nicht etwa auf einer Stufe minderen Ranges." Die bislang 52 Änderungen des Grundgesetzes betrafen die Vorschriften aus der Weimarer Zeit übrigens nicht.