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Ersthelfer für Familien

KINDERKOMMISSION Experten fordern frühe Hilfen für Familien mit Kleinkindern

09.03.2009
2023-08-30T11:23:48.7200Z
2 Min

Der neugeborene Stolz seiner Eltern schreit stundenlang. Was tun? Dieser Frage stehen viele junge Eltern ratlos gegenüber - und die Hilfsangebote für Familien mit kleinen Kindern sind rar.

Die Kinderkommission hatte am 2. März sechs Fachleute zu einer öffentlichen Anhörung eingeladen, um zu erfahren, wie Betroffene am besten unterstützt werden können. Möglichst früh helfen, und das flächendeckend, lautete der Tenor.

Die Experten waren sich einig, dass so genannte "frühe Hilfen" für junge Familien am besten noch während der Schwangerschaft starten müssten. Frühe Prävention könne verhindern, dass schwerwiegende Fälle wie Misshandlungen und Vernachlässigung gar nicht erst auftreten. Gerade "Schreibabys" seien dafür ein Beispiel, sagte Alexandra Marianne Sann vom Deutschen Jugendinstitut: "Misshandlungen kommen bei Babys, die Schrei-, Schlaf- oder Fütterstörungen haben, öfter vor. Und wenn Sie ein Schreibaby haben, brauchen Sie sofort Hilfe - nicht erst in zwei Monaten." 20 Prozent der Babys hätten solche Störungen, aber nur für 2 Prozent gebe es Hilfsmaßnahmen, beklagte Sann die geringe Angebotsdichte, die alle Experten kritisierten.

"Wir müssen nicht nur frühzeitig, sondern auch flächendeckend arbeiten", forderte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Er stellte der Kommission das so genannte Dormagener Modell vor: In der nordrhein-westfälischen Stadt besucht das Jugendamt jedes neugeborene Kind - mit der Folge, dass ausnahmslos alle Dreijährigen in Dormagen im Kindergarten angemeldet werden. Die Mitarbeiter des Jugendamtes merken auf diese Weise auch sehr schnell, wenn es einem Kind nicht gut geht, und können dann rechtzeitig einschreiten.

Hinter dem Modell steckt laut Hilgers noch ein weiterer Gedanke: Wenn grundsätzlich jede Familie Hilfsangebote bekomme, müssten Eltern keine Stigmatisierung befürchten. "Viele Eltern wollen allein deshalb keine Unterstützung", berichtete auch Cordula Stucke vom Kinderschutzzentrum Hamburg, "weil sie ihrer Ansicht nach dann in einer Schublade mit dem Vater von Kevin stecken." Der zweijährige Kevin war 2006 tot im Kühlschrank seines Vaters gefunden worden, der ihn misshandelt hatte.

"Wir beobachten, dass die Elternkompetenz generell erodiert, nicht nur bei so genannten Problemfamilien", sagte Peter Lukasczyk vom Jugendamt der Stadt Düsseldorf. Auch Eltern, die weder drogenabhängig noch besonders jung sind, hätten potenziell öfter Hilfe nötig. Dem stimmte auch Sann zu: "Zwei Drittel bis drei Viertel der Eltern sind zumindest manchmal in ihrer Erziehung verunsichert."

Derzeit bereitet die Kinderkommission eine Stellungnahme zum Thema "Neue Konzepte früher Hilfen" vor. Die Mitglieder werden vor dem Beschluss unter anderem noch ein Stadtteilzentrum in Berlin-Neukölln besichtigen, um sich einen Eindruck aus der Praxis zu verschaffen.