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»Man ist gefesselt«

DDR Ines Geipels Buch über verfolgte Literatinnen

02.06.2009
2023-08-30T11:23:58.7200Z
2 Min

In Diktaturen sind die ungeschriebenen Kapitel der Literatur oft auf besondere Weise erhellend. Für die Zeit in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR steckt die Darstellung der beiseite gedrängten Literaten noch in den Anfängen. Schon aus diesem Grund ist das Buch der Berliner Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Ines Geipel, "Zensiert, verschwiegen, vergessen - Autorinnen in Ostdeutschland 1945-1989" verdienstvoll. In seinem Fokus stehen die Lebensgeschichten von zwölf Autorinnen, deren Werke aus politischen Gründen nicht erscheinen durften. Sie wurden als staatsgefährdend eingestuft, beschnitten oder totgeschwiegen. Ihre einfühlsamen Beschreibungen stützt Geipel auf unveröffentlichte Tagebücher, Briefe und Gedichte, ergänzt durch Gespräche mit Zeitzeugen und Hinterbliebenen sowie mit Fotografien der Autorinnen.

Dass die Hoffnung auf einen demokratischen Neubeginn unbegründet war, musste die 1864 geborene Ricarda Huch bereits in der frühen Nachkriegszeit erfahren. Angesichts von Hitlers Deutschland empfand die in Jena Lebende nur Grauen und Ekel. Der neuen Macht in der Sowjetischen Besatzungszone stand sie zunächst loyal gegenüber. Doch nach und nach steigerte sich ihre Skepsis bis zur Ablehnung - sicherlich auch, weil ihr Buch "Urphänomene" ohne das Kapitel "Freiheit" erscheinen musste. Tief bestürzt äußerte sie sich 1946 in einem Brief über die Verschleppung unschuldiger junger Menschen. Ein Jahr später spricht sie bereits vom Sklavenlande: "Man ist so gefesselt, wie man die zwölf Jahre vorher war."

Wer diese Fesseln lockern wollte, bekam die Staatsmacht schnell zu spüren. 1950, ein Jahr nach Gründung der DDR, wurde die damals 20-jährige Edeltraut Eckert verhaftet, weil sie in eine Flugblattaktion mit Aufrufen wie "Freiheit der Ostzone" und "Feindschaft dem Terror" eingebunden war. Dafür erhielt sie 25 Jahre Haft im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck. Ein Arbeitsunfall führte zu ihrem frühen Tod. Wenige Monate zuvor hatte Edeltraut Eckert mit Blick auf die unbestimmte Entlassung aus der Haft an die Eltern geschrieben: "Einmal, aber das liegt so weit, muss es ja so sein. Es fragt sich nur, was dann von dem Menschen, der damals von Euch ging, übrig geblieben ist."

Ines Geipel:

Zensiert, verschwiegen, vergessen. Autorinnen in Ostdeutschland 1945-1989.

Artemis & Winkler, Düsseldorf 2009; 290 S., 24,90 €