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Unvorstellbares »Worst-Case-Szenario«

HRE-AUSSCHUSS Zeuge sieht Depfa-Krise als Folge der Pleite von Lehman-Brothers an

02.06.2009
2023-08-30T11:23:58.7200Z
2 Min

Jetzt ist es also raus: Bereits im Frühjahr 2008 ermittelten Kontrolleure der Bundesbank bei der im Herbst in Schieflage geratenen Depfa, der irischen Tochter der Hypo Real Estate (HRE), fast 50 Verstöße gegen die Funktionsfähigkeit des Risikomanagements, immerhin 29 "mittelschwere" und zwölf "gewichtige" Beanstandungen wurden offenbar. Nun unterliegt die Depfa-Sonderprüfung eigentlich dem Geschäftsgeheimnis. Vor dem HRE-Ausschusses hielt sich Zeuge Manfred Eder, unter dessen Leitung die Depfa unter die Lupe genommen wurde, strikt an diese Richtlinie. Doch mehrere Parlamentarier griffen zu einem Trick: Sie zitierten aus einem "Spiegel"-Artikel über die festgestellten Defizite.

Geschäftsmodell der Depfa

Das sind spannende Informationen, gilt doch das Debakel der Depfa als entscheidender Faktor für den Beinahe-Kollaps der HRE, die mit fast 90 Milliarden Euro Staatsgarantien gestützt wird. Aufschlussreich ist auch Eders Hinweis auf das Geschäftsmodell der Depfa, das nach der Pleite von Lehman Brothers samt der Stilllegung des Interbankenmarkts zusammenbrach: Das vor allem in der langfristigen Staatsfinanzierung engagierte Institut sorgte über Kurzkredite für seine Refinanzierung - wobei die Zinsdifferenz üppige Gewinne abwarf. Doch nach dem Lehman-Ende fiel diese Geldbeschaffung aus.

Freilich belegen solche Erkenntnisse noch nicht die Kritik von FDP, Linkspartei und Grünen: Hätte ein rechtzeitiges Eingreifen von Bankenaufsicht und Regierung bei Depfa und HRE deren Desaster verhindern können? Eine von Koalitions- wie Oppositionsabgeordneten wiederholt gestellte Frage lautet so: Hätte die HRE-Krise vermieden werden können, wenn die entdeckten Missstände bei der Depfa rechtzeitig abgestellt worden wären? Solche Auflagen gab es, doch eine Nachkontrolle sollte erst 2009 stattfinden.

Der Bundesbanker beharrte darauf, dass die Krise von Depfa und HRE erst durch die Lehman-Pleite ausgelöst worden sei. Ein solches "Worst-Case-Szenario" sei nicht vorstellbar gewesen und deshalb bei der Untersuchung der Depfa auch nicht durchgespielt worden. Aber die Risiken auf dem Finanzmarkt hätten sich doch schon zuvor verstärkt, meinte Volker Wissing (FDP). Für ihn, so Eder, sei zwar ein Fortdauern der "schwierigen Situation" auf dem Kreditmarkt denkbar, ein "totaler Zusammenbruch" jedoch nicht absehbar gewesen. Eine solche "Extremsituation" habe es in der gesamten Nachkriegszeit nicht gegeben. Eine Beseitigung der bei der Depfa ermittelten Mängel hätte an deren Geschäftsmodell nichts geändert.

Erhöhte Bilanzsumme

Durch solche Aussagen kann sich SPD-Obfrau Nina Hauer bestätigt sehen, aus deren Sicht das Debakel ebenfalls erst durch die Lehman-Katastrophe verursacht wurde. CDU-Obmann Leo Dautzenberg wollte wissen, ob nicht allein die gewaltige Erhöhung der HRE-Bilanzsumme nach dem Erwerb der Depfa Anlass für genauere Prüfungen hätte sein müssen. Deren Geschäftsmodell habe ja bis zur Lehman-Pleite funktioniert, konterte Eder. Ein erhöhtes Risiko habe sich erst später gezeigt.

Entkräftet sieht die Opposition ihre Kritik freilich nicht. Axel Troost (Linkspartei) und Gerhard Schick (Grüne) monierten, dass die Bankenaufsicht aus dem Desaster der SachsenLB und der IKB 2007 nicht die nötigen Konsequenzen gezogen habe. Die Defizite bei der Depfa seien nicht bei normalen Kontrollen, sondern bei der nach ersten HRE-Krisenmeldungen vom Januar 2008 vorgezogenen Sonderprüfung aufgefallen, stellte Troost fest.