Piwik Webtracking Image

Unerwartetes Naturereignis

Flugverkehr Aschewolke nach Vulkanausbruch auf Island legte deutsche Flughäfen lahm. Verluste in Milliardenhöhe

26.04.2010
2023-08-30T11:25:54.7200Z
4 Min

War es nun für den europäischen Flugverkehr gefährliche Lavaasche oder doch nur heiße Luft? Die Meinung der Experten ging nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjalla weit auseinander. Deshalb entschloss sich die zum Bundesverkehrsministerium gehörende Deutsche Flugsicherheit (DFS) in Langen am vorvergangenen Donnerstag, auf allen deutschen Flughäfen keine Starts mehr zuzulassen. Nachdem alle Flugzeuge gelandet waren, war der Luftraum leer. Nichts ging mehr. 300.000 Deutsche saßen im Ausland fest, die Flughäfen wurden zu Notquartieren, wer konnte, wich auf Bahn, Bus oder Mietwagen aus. Die Wirtschaft und die Airlines beklagen finanzielle Verluste in Milliardenhöhe.

Sicherheit geht vor

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen machten jedoch bei einer Regierungserklärung am vergangenen Mittwoch und in einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses deutlich, dass die Sicherheit vor allen wirtschaftlichen Interessen stehen müsse.

Ramsauer wies dabei daraufhin, dass es ein solches Phänomen in Europa noch nie gegeben habe. Bei ihren Entscheidungen habe sich die DFS an den Vorgaben der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO gehalten. Diese habe ein Regelwerk erstellt, nach dem klar sei, wer, was, wann nach einem Vulkanausbruch zu tun habe. Wegen der außergewöhnlichen Lage seien vor allem bei der DFS, aber auch beim Deutschen Wetterdienst (DWD) und beim Verkehrsministerium Krisenstäbe ununterbrochen im Einsatz gewesen. Er selbst habe die Arbeit koordiniert und in enger Abstimmung mit seinen europäischen Kollegen gestanden. Deshalb sei er besonders froh, den Abgeordneten verkünden zu können: "Die Vulkanasche hat sich so stark verflüchtigt, dass der normale Flugbetrieb wieder aufgenommen werden kann." Die Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP unterstützten das Vorgehen des Ministeriums vollständig. "Es ist nicht erkennbar, dass der Verkehrsminister etwas anderes hätte tun müssen", sagte Dirk Fischer (CDU/CSU). Das Krisenmanagement habe "hervorragend" geklappt, alle internationalen Regelungen seien eingehalten worden.

Der Minister stehe voll in der Verantwortung - vor allem für die Fluggäste. Dennoch müsse das internationale Regelwerk noch verfeinert werden, meinte Fischer. Er schlug zudem vor, dass das Nachtflugverbot von den Bundesländern vorübergehend flexibel gehandhabt werden sollte. Für Patrick Döring (FDP) haben das Bundesverkehrsministerium, die nachgeordneten Behörden und die beteiligten Unternehmen "hervorragend" reagiert. Insgesamt sei der Bundesregierung kein Vorwurf zu machen.

Auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), lobte die Entscheidung und die Standfestigkeit des Ministers, der durch die Vertreter der deutschen Airlines unter Druck geraten sei. Gleichwohl seien auch einige Probleme sichtbar geworden. Ein "riesiges Problem" sei, dass es im Regelwerk vorgesehen sei, bei Verunreinigung der Luft durch Vulkanasche Instrumentenflüge aus Sicherheitsgründen nicht zu erlauben, auf der anderen Seite aber unter Sichtbedingungen geflogen werden dürfe. "Das ist widersprüchlich, das geht nicht, das halte ich für falsch, das muss korrigiert werden", sagte Hermann. Das Vorgehen des Ministers, der Parlament und Ausschüsse schnell informiert und in die Entscheidungen einbezogen habe, nannte Hermann vorbildlich.

Widersprüche

Herbert Behrens von der Linksfraktion warf Ramsauer "Herumeierei" vor, da die Teilaufhebung der Sperrung des Luftraums voller Widersprüche gewesen sei. "Instrumentenflüge waren verboten, Sichtflüge aber erlaubt und das bei der gleichen Vulkanaschekonzentration in der Luft", sagte er. Der Grund dafür sei, dass bei Sichtflügen die Verantwortung allein bei den Piloten liegen würde. "Hier gibt es eine Regelungslücke", betonte Behrens. "Entweder ist der Luftraum sicher oder nicht."

Außergewöhnliche Situation

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Florian Pronold, räumte ein, dass es sich um eine außergewöhnliche Situation handele, in der die Sicherheit des Flugverkehrs und die Sicherheit der Menschen in den Flugzeugen und auf dem Boden "absolute" Priorität haben müsse. "In einer solchen Situation sieht professionelles Krisenmanagement aber anders aus", kritisierte er. Bisher seien wichtige Fragen der Sicherheit noch nicht abschließend beantwortet. Trotzdem habe es viele Erlaubnisse auf sogenannte Sichtflüge gegeben.

Mit Vulkanasche belastete Luft sei für Flugzeuge und Passagiere bei Sichtflügen ebenso riskant wie bei Instrumentenflügen, die von Fluglotsen überwacht würden. Außerdem werde in den verschiedenen europäischen Ländern bei der gleichen Lage jeweils anders entschieden, was nicht gerade für ein sicheres Krisenmanagement spreche. "Ihr Umgang mit der Krise ist kein Grund, sich einen Lorbeerkranz aufzusetzen", betonte Pronold gegenüber Minister Ramsauer.

Auch die Vertreter der Deutschen Fluggesellschaften kritisierten in der Sondersitzung des Verkehrsausschusses, dass bei gleichen Daten in Europa unterschiedliche Entscheidungen getroffen würden. Sie hielten die Sperrung der Flughäfen für "übereilt". Wenn dieselben Sicherheitsmaßnahmen in der ganzen Welt gelten würden, dürften in den arabischen Ländern wegen des Wüstensands keine Flugzeuge starten oder landen. Der Vertreter der Lufthansa wies auf den hohen Sicherheitsstandard der deutschen Luftverkehrsgesellschaften hin. "Wenn die Lufthansa nur dieselben Sicherheitsstandards wie die NASA hätte, dann würden wir statistisch täglich 68 Unfälle haben", betonte er. Er schlug vor, alle Informationen zukünftig im Krisenstab zu bündeln und die Fluggesellschaften einzubeziehen.