"Niemand hat das Recht, Land und Leute preiszugeben. Die Regelung dieser und aller Grenzfragen Deutschlands kann nur durch einen Friedensvertrag erfolgen, der von einer demokratischen deutschen Regierung beschlossen werden muss": Unter Beifall verlas Alterspräsident Paul Löbe (SPD) vor dem deutschen Bundestag in Bonn eine Erklärung zur Oder-Neiße-Linie, die die westdeutschen Parlamentarier anschließend mit großer Mehrheit verabschiedeten: Zustimmung kam sowohl aus den Reihen von CDU und FDP als auch der SPD. In der Erklärung sprachen sich die Volksvertreter Westdeutschlands gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zwischen der unter sowjetischer Besatzung stehenden Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Volksrepublik Polen aus. Sieben Tage zuvor hatten DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl und sein polnischer Amtskollege Jozef Cyrankiewicz in Zgorzelec, dem nunmehr polnischen Teil der an der Lausitzer Neiße gelegenen Stadt Görlitz, die Oder-Neiße-Grenze vertraglich besiegelt. Mit dem Görlitzer Vertrag kam die DDR-Regierung der Notwendigkeit nach, auf die ostdeutsche Staatsgründung im Oktober 1949 die Anerkennung der Grenzen seines "Bruderstaates" Polen folgen zu lassen. Der Streit um die Oder-Neiße-Linie entspannte sich erst unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), und wurde im Warschauer Vertrag am 7. Dezember 1970 formal beigelegt. Doch bis das wiedervereinigte Deutschland im deutsch-polnischen Grenzvertrag im November 1990 die Oder-Neiße-Grenze völkerrechtlich anerkannte, sollte es noch mehr als 20 Jahre dauern. Robert Salzmann z