Piwik Webtracking Image

ORTSTERMIN MIT: IPS-STIPENDIATIN NURIYA FATYKHOVA… : »Zum Glück war ich in dem Moment mutig genug«

12.07.2010
2023-08-30T11:26:00.7200Z
3 Min

Die typische Kandidatin für das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) ist Nuriya Fatykhova nicht. Mit 27 Jahren ist sie eine der ältesten Stipendiatinnen und steht wie die meisten anderen Stipendiaten nicht am Anfang ihrer beruflichen Karriere, sondern schon mitten drin. Seit fünf Jahren arbeitet die Russin, die in Usbekistan geboren wurde, als freie Journalistin für russische Zeitungen. "Für das Praktikum im Bundestag habe ich mich vor allem aus journalistischem Interesse beworben", sagt Fatykhova. "Ich wollte sehen, wie hier alles funktioniert, wie der Ablauf ist." So ist sie eingetaucht in den Bundestagsalltag und hat vor allem viele Kleinigkeiten entdeckt, die sie überraschen. Die Ablagemöglichkeiten für Akten auf den Toiletten im Paul-Löbe-Haus sind so ein Detail.

Ihren Blick für Details hat sie auch im IPS-Fotowettbewerb unter Beweis gestellt. "Das Parlament hat viele Gesichter" war das Motto, unter dem die 114 Stipendiaten aus 27 Ländern in diesem Jahr rund um den Bundestag auf Motivsuche gehen sollten. Genau das richtige für Fatykhova, die es liebt zu fotografieren. Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im April entdeckte Fatykhova dann Helmut Schmidt im Publikum. Für ihre Freunde in Russland und sie sei der Altkanzler eine "große und positive Figur der deutschen Geschichte, auch wenn ich mit seiner Politik gegenüber meinem Land nicht immer einverstanden war", sagt die junge Russin. Als Peer Steinbrück, der neben Helmut Schmidt saß, aufgestanden sei, um zum Podium zu gehen, habe sie sich einfach auf seinen Platz gesetzt. Sie habe Helmut Schmidt ein wenig beobachtet, gesehen wie er nickte oder den Kopf schüttelte, wenn ihm etwas nicht gefiel. "Und dann habe ich einfach aus nächster Nähe auf den Auslöser gedrückt", erinnert sich Fatykhova. "In dem Moment war ich zum Glück einfach mutig genug."

Der Mut hat sich gelohnt. Gemeinsam mit drei anderen Stipendiatinnen ist sie bei der offiziellen Verabschiedung der Stipendiaten am 1. Juli von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) für ihr Foto ausgezeichnet worden. Es zeigt, wie sie sagt, einen "nachdenklichen, aber auch müden Helmut Schmidt" (siehe Bild oben).

Wie Lammert, der das IPS-Programm des Bundestages als "Flaggschiff der Internationalität" bezeichnete, wünschte sich auch der Präsident der Humboldt-Universität, Professor Christoph Markschies, dass das IPS-Programm mit seiner Kombination aus Seminaren an den drei Berliner Universitäten und den praktischen Erfahrungen bei der Arbeit in den Abgeordnetenbüros ein großer Gewinn für die Stipendiaten sei. "Zehren Sie von diesen Erfahrungen, halten Sie die Kontakte zu den Abgeordneten, den Universitäten in Berlin und den anderen Stipendiaten aufrecht", forderte Markschies die jungen Leute auf, die seit März in Berlin sind. "Und wenn Sie dann selber Abgeordnete in Washington oder Sarajevo sind, dann schicken Sie uns junge Leute aus Ihren Ländern."

Wenn Nuriya Fatykhova Ende Juli nach Russland zurückkehrt, dann mit dem Gefühl, dass ihr persönliches "Experiment im Bundestag" gelungen ist. "Das Praktikum wird mir dabei helfen, einen Job zu finden, bei dem sich mein Interesse Russland und Deutschland verbinden lässt", zeigt sich Fatykhova optimistisch. Als Journalistin hat sie für russische Zeitungen auch über Deutschland und deutsche Politik geschrieben. Vorstellen kann sich Fatykhova, die seit fünf Jahren Deutsch lernt, nach ihrer Zeit im Bundestag aber auch einen anderen Weg, eine andere Perspektive, "bei der ich noch mehr mit Deutschland und der deutschen Sprache zu tun habe, zum Beispiel in einem Goethe-Institut in Russland".