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Leben im Todesstreifen

UMWELT Die einstige Grenze schützt Tiere und Pflanzen

06.09.2010
2023-08-30T11:26:03.7200Z
2 Min

Wo sich einst der berüchtigte Todesstreifen von der Ostsee bis zum Fichtelgebirge erstreckte, präsentiert sich heute eines der originellsten Naturschutzgebiete der Welt: das "Grüne Band", das auf 1.393 Kilometern entlang der einstigen innerdeutschen Grenze Hunderten bedrohter Tier- und Pflanzenarten eine Heimstatt bietet.

Aufgefallen war Naturschützern schon lange vor der Einheit, dass die Natur im Grenzstreifen ursprünglicher war als anderswo. In den 1970er Jahren beobachtete der damalige Gymnasiast Kai Frobel an der Grenze nahe Coburg eine sehr seltene Vogelart: "Das Braunkehlchen saß immer auf den Pfosten dieser scheußlichen Streckmetallzäune und balzte." Aufmerksam geworden, stellte er fest: "Mehr als 90 Prozent aller Braunkehlchen lebten unmittelbar in den Grenzanlagen." Mehr noch: Reihenweise fanden Frobel und seine Freunde Tier- und Pflanzenarten, die in Deutschland die Roten Listen der vom Aussterben bedrohten Arten zierten. Der Todesstreifen für Menschen entpuppte sich als Lebensstreifen für die Natur, weil dort niemand ackerte und arbeitete.

Als die Grenze fiel, arbeitete Frobel beim Bund Naturschutz in Bayern, der noch 1989 eine Tagung mit ostdeutschen Kollegen organisierte. Die Teilnehmer fassten einen anspruchsvollen Beschluss: Der 50 bis 200 Meter breite Grenzstreifen sollte als Naturschutzgebiet erhalten bleiben, weil große Teile dieser 177 Quadratkilometer Lebensräume sind, die als gefährdet gelten.

Und tatsächlich: 85 Prozent des Geländes sind auch heute nicht durch Äcker, intensives Grünland oder Straßen zerstört; stattdessen finden sich Biotope mit Altgrasflächen, Busch- und Waldgebieten, Heiden und Sümpfen.

2003 übernahm dann der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow die Schirmherrschaft über das Grüne Band in Deutschland. 2004 verabschiedete der Bundestag einen Antrag, das Band als "einzigartigen Biotopverbund und als Erinnerungsstätte der deutschen Teilung" zu sichern.

Unterdessen machten sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, die Naturschutzorganisation Euronatur und das Bundesamt für Naturschutz für eine Ausdehnung auf den gesamten Eisernen Vorhang zwischen Eismeer und Schwarzem Meer stark. Denn auch in großen Teilen dieses 8.500 Kilometer langen Streifens, der jahrzehntelang Ost und West voneinander abriegelte, blieb die Natur weitgehend unberührt. Das "European Green Belt" soll nicht nur zum Rückgrat des Naturschutzes in Europa werden. "Mit dem Grünen Band Europa wird es uns gelingen, die Menschen in Europa zusammenzubringen", hofft Michail Gorbatschow.