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Grüne verdirbt Lula die Laune

BRASILIEN Außenseiterin verhagelt Präsidentschaftskandidatin Rousseff den Sieg

11.10.2010
2023-08-30T11:26:06.7200Z
3 Min

Die erste Runde der brasilianischen Parlaments- und Präsidentschaftswahl endete am 3. Oktober mit einer Überraschung. Die Kandidatin von Lula da Silvas Arbeiterpartei PT, Dilma Rousseff, verpasste mit 46,91 Prozent die absolute Mehrheit. Ihr konservativer Kontrahent José Serra kam auf 32,61 Prozent der Stimmen. Hingegen kann sich Grünen-Kandidatin Marina Silva als Siegerin fühlen. Völlig unerwartet landete die ehemalige Umweltministerin im Kabinett Lula da Silva bei 19,33 Prozent der Wählerstimmen und verhagelte damit der Favoritin Rousseff den schon sicher geglaubten Sieg.

Rund 20 Millionen Brasilianer stimmten für die 52-Jährige, die 2008 aus Protest wegen mangelnder Unterstützung ihren Ministerposten aufgegeben hatte. Die wichtigste Frage für die am 31. Oktober angesetzte Stichwahl lautet deshalb: An wen gehen die Stimmen von Silva? "Das Wichtigste ist jetzt, Ideen und Projekte zu diskutieren", sagte Silva auf die Frage, welche Empfehlung sie an ihre Wähler ausspricht. Mit ihrer Entscheidung will sich Silva, die mehr als 25 Jahre Mitglied in Lulas Arbeiterpartei PT war, noch Zeit lassen, auch wenn sie von beiden politischen Lagern heftig umworben wird. Plötzlich ist die zierliche Silva zur Königsmacherin der brasilianischen Präsidentschaftswahl aufgestiegen.

"Marina Silva hat von der politischen Enttäuschung profitiert und von den linken Wählern", sagt Maria Victória Benevides, Politikwissenschaftlerin an der Staatlichen Universität São Paulo. Sie habe die Parteienlandschaft gründlich aufgemischt. Bei der PT machte sich nach dem enttäuschenden Wahlergebnis Katerstimmung breit. Vor allem Korruptionsskandale, in die Rousseffs Vertraute und Nachfolgerin als Kanzleramtschefin verwickelt ist, hatten Popularitätspunkte gekostet. Zudem habe die PT die Mittelklasse im Wahlkampf vernachlässigt, heißt es aus der Partei. Das soll sich jetzt ändern.

Themen wie Umweltschutz und Religion, die bislang bei Rousseff und Serra eine eher untergeordnete Rolle spielten, rücken nun in den Vordergrund des verlängerten Wahlkampfes. "Ich war schon immer ein Umweltschützer, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis", betont Kandidat Serra von der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB). Rousseff verweist dagegen auf ihre katholische Erziehung, die ihr den Weg durchs Leben gewiesen hat. Für die im Amazonas aufgewachsene Silva hatte vor allem die gut ausgebildete urbane Mittelklasse votiert. Doch auch von der besonders in den Armenvierteln aktiven rund 33 Millionen Anhänger zählenden evangelikalen Bewegung erhielt Silva einen Großteil der Stimmen. Die Grünen-Politikerin ist bekennende Evangelikale.

Geteiltes Land

Auch diese Wahl macht deutlich, welch ein geteiltes Land Brasilien ist. Die Regierung von Lula ist vor allem im armen Nordosten populär. Die Bewohner dort haben am meisten von den umfangreichen Sozialprogrammen der linken Regierung profitiert. Auch Rousseff konnte dort und im Amazonas-Gebiet punkten und diese Bundesstaaten für sich gewinnen. Serra kam vor allem im wohlhabenden Süden des Landes und in der Industriemetropole São Paulo auf die meisten Stimmen.

Sollte Dilma Rousseff die Stichwahl gewinnen, kann sie auf eine starke parlamentarische Basis bauen. Im Abgeordnetenhaus kam die PT auf 88 Sitze und ist mit ihren Verbündeten die stärkste Kraft in der 402 Sitze zählenden Kammer. Im Senat stellt die PT mit ihren Verbündeten jetzt 42 der 81 Sitze und verfügt damit über die absolute Mehrheit.