Piwik Webtracking Image

Markenzeichen Härte

WOLFGANG SCHÄUBLE Der Herr der Bundeskasse tritt nach Rücktrittsgerüchten und Pressesprecher-Affäre offensiv auf

29.11.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
4 Min

Gerade noch stand er - angeblich - kurz vor dem Rücktritt. Jetzt ist er wieder eine der unangefochtenen Stützen des Kabinetts: Der Herr der Bundeskasse, Wolfgang Schäuble (CDU), hat den ersten Etat mit durchgängig schwarz-gelber Handschrift unter Dach und Fach. Es ist der erste Spar-Etat, der auf die grundgesetzliche Schuldenbremse ausgerichtet ist.

Schäuble - zweimal Innenminister - bleibt sich als Finanzminister treu. Das ganze erste Regierungsjahr lang hat er ziemlich ungeniert die FDP-Formel von der Steuervereinfachung, mit der eine gehörige Steuersenkung einher geht, attackiert - Koalitionsvertrag hin oder her.

Klare Worte

Und zur beträchtlichen Freude der Opposition machte er auch in seiner letzten Haushaltsrede dieses Jahres aus seinem Herzen keine Mördergrube: "Die Erwartungen an Steuervereinfachungen in der Öffentlichkeit dürfen auch nicht überzogen werden." Schließlich gebe es nur "einen begrenzten Entlastungsspielraum". Das schrieb er den Liberalen hinter die Ohren, aber auch den Mittelständlern in der eigenen Partei. Klartext war schon immer seine Sache.

Zu viel Klartext? Wie er beinahe lustvoll seinen Sprecher Michael Offer vor laufenden Kameras niedermachte: Erschreckend wirkte das. Ungleich härter als die harsche Kritik an dieser Stillosigkeit muss ihn getroffen haben, dass zeitgleich die Liste seiner misslungenen Projekte zusammengestellt wurde. Rotstift ja - aber kreative Finanzpolitik?

Die Gewerbesteuer: wollte er abschaffen, biss indes auch bei den Kommunen auf Granit. Ersatzweise Einfluss der Städte und Gemeinden auf die Höhe ihres Anteils an der Lohn- und Einkommensteuer: Rundum-Verriss. Den Euro-Stabilitätspakt wollte er verschärfen: Nikolas Sarkozy und Angela Merkel bremsten ihn aus.

Doch andererseits mag die Kanzlerin auf ihren Finanzminister nicht verzichten. Thomas de Maiziére wäre dann wohl die nächste Wahl - doch der scheint gerade in

diesen Zeiten verschärfter Terrorbedrohung als Innenminister unverzichtbar. Schäuble war denn auch der erste aus der Ministerriege, den Merkel in ihrer Rede auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe lobend erwähnte und ihm ein "herzliches Dankeschön" sagte für das erste Regierungsjahr, "das für ihn auch persönlich mit so viel Kraft und Anstrengung verbunden war".

Persönlich: Das bedeutete für den Querschnittsgelähmten ein Druckgeschwür nach der Operation. Mehrfach musste er ins Krankenhaus. Zuletzt kehrte er demonstrativ nach drei statt der veranschlagten vier Wochen wieder an seinen Schreibtisch im Ministerium zurück.

Auch demütig

Die Scharte des schroffen Verhaltens gegenüber seinem inzwischen demissionierten Sprecher suchte er beim Karlsruher Parteitag durch geradezu demütiges Verhalten auszuwetzen. Er sei "bereit", seinen "Dienst weiter zu leisten, so gut wie ich es kann". Mit 85,6 Prozent wählten ihn die Delegierten wieder in das Präsidium der CDU - annähernd eine Quote wie vor zwei Jahren. Nach so viel Rückhalt an der Basis ist klar: Schäuble kann sich nur selbst demontieren.

In dieser Gefahr allerdings schwebt einer wie er allerdings schon. Für die Reform der Gemeindefinanzen hat die Koalition eine Expertenkommission eingesetzt. Um die scherte sich Schäuble keine Bohne, als er mit seinem Vorschlag zur Lohn- und Einkommensteuer vorpreschte. Freunde bringt ihm das nicht. "Es ist kein guter Stil, wenn er jetzt zu verstehen gibt, dass ihn die Meinung seiner Kommission nicht interessiert", empörte sich FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger.

»Kaputtgeprüft«

Homburger legte nach: Die Überarbeitung der Mehrwertsteuer habe Schwarz-Gelb vereinbart. Wo die denn bleibe? Und dann die Vorschläge für die viel beschworene Vereinfachung des Steuersystems. Homburger: "Monatelang im Ministerium kaputtgeprüft."

Schäuble sagte am Parteitags-Rednerpult, er habe ein Jahr hinter sich, "das schwerer war, als ich es mir vorgestellt und gewünscht habe". Er hat 20 solcher Jahre hinter sich. Seit ein verwirrter Mann den jetzt 68-Jährigen bei einem Attentat während einer Wahlveranstaltung zum Querschnittsgelähmten machte.

Schäuble hat überdies Jahre hinter sich, in denen er Karriere-Nackenschläge zu verkraften hatte: Helmut Kohl rief ihn überraschend zu seinem Kronprinzen aus, um ihn dann zu demontieren. Den Partei- und Fraktionsvorsitz verlor Schäuble 2000, weil er in den Strudel der CDU-Spendenaffäre geriet - Merkel, damals CDU-Generalsekretärin, schubste durchaus mit.

Als Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin war er im Gespräch und - vor Horst Köhlers erster Wahl - als Bewerber der Union um das Amt des Bundespräsidenten.

Nach dem von ihm vom Zaun gebrochenen Eklat um seinen Pressesprecher hat er etwas gesagt, was ihm sicherlich nur sehr schwer über die Lippen kam: "Auch ein Bundesfinanzminister hat Nerven und ist manchmal sehr belastet." Mit anderen Worten: Auch Wolfgang Schäuble ist bisweilen nur ein Mensch.

Irgendwie tröstlich bei einem Mann, dessen Markenzeichen Härte ist. Und dem zur Schau gestellte Überlegenheit nicht fremd ist. Der jedenfalls mit sich selbst im Reinen ist - und außerdem überzeugt, "dass wir mit dieser soliden Finanzpolitik auf dem richtigen Weg sind, Defizite zu reduzieren und zugleich die Grundlage für nachhaltiges Wachstum, für Beschäftigung und für soziale Gerechtigkeit in unserem Lande sicherzustellen".