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Medialer Urschrei

GLOSSE Truppenbesuch mit Dame in Afghanistan

20.12.2010
2023-08-30T11:26:12.7200Z
2 Min

Es weihnachtet wieder in den warmen deutschen Redaktionsstuben. Süßer die malignen Glöcklein nie klangen: "Inszenierungsorgie", "Showtime für Geschwader Guttenberg", "absolut unangemessen", "Charme des Golfclubs am Hindukusch". Am Ende dann das vom Chronistenstandgericht verkündete Todesurteil: "Amerikanisierung der Politik!"

Was, um Himmels Willen, war geschehen? Offen gesagt, das Schlimmste, was hierzulande möglich ist. Quasi über Nacht hatte jemand die Verfassung ausgehebelt. Seither "gelten die Gesetze Hollywoods". Die Folgen kann sich jeder ausmalen: "Menschen und Orte" werden "medial instrumentalisiert", Soldaten "gleich doppelt missbraucht". Nein, nicht ein zweifelhafter Bischof ist der Strolch, man ist einem "adligen Dirigentensohn aus einem alten fränkischen Schloss" auf den Fersen. Der Dracula aus dem finsteren Frankenwald hatte es gewagt, beim Besuch in Afghanistan zusammen mit seiner Ehefrau Stephanie seine Truppe "nun auch noch als Staffage" auf die heimatlichen Bildschirme zu zaubern und dabei "PR-Punkte zu machen". Das Diktum "Hier wird nicht getarnt, hier wird offen angebiedert" sollte man nicht zum Nennwert nehmen, zumal der Unhold bei seiner "glamouröse Selbstinszenierung" mit Hubschrauber und Panzer sich von Knoblauch und Spiegelungen fernzuhalten wusste.

Mühsal

Acht Jahre hat es gedauert, bis ein deutscher Verteidigungsminister für die schöngefärbte Mühsal seiner Truppe das Wort Krieg in den Mund nahm. Neun Jahre hat es gedauert, bis sich die deutsche Politik aufraffte, einen "Fortschrittsbericht" vorzulegen, der von Fortschritt nicht viel zu erzählen weiß. Wir lagen nicht vor Mazar-i Scharif, sondern ganz ohne Pest an Bord lieber unter der Sonne Mallorcas. Auch mancher Edelfeder gelang es über all die Jahre, das Thema Afghanistan so weiträumig zu umschiffen, dass man schon dankbar sein muss, wenn ihr das Schicksal eines Ministers in der Adventszeit so ans Herz geht. Der riskiere von jetzt an "mit jedem neuen Kunststück seinen Absturz". Doch gemach, im politischen Geschäft wechselt das Schicksal wie die Farbe des Himmels: Die "mediale Fallhöhe" haben schon ganz andere hinter sich gebracht und machen dennoch unverdrossen weiter.